Rinderrazzia: Landkreis darf die weiteren 33 Tiere „unschädlich“ machen

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Foto: pixabay

Grimma/Großbardau/Leipzig. Wie berichtet hatte Arnd Viehweg gegen die Maßnahmen auf seinen Hof beim Verwaltungsgericht Einspruch eingelegt und somit eine Gnadenfrist für 33 Rinder erlangt. Diese scheint nun vorbei zu sein.

Das Verwaltungsgericht Leipzig hat über den Eilantrag des Tierhalters entschieden und Diesen zurückgewiesen. Das Gericht befasste sich demnach mit 28 Seiten nur mit der Anordnung und stellte fest das Diese rechtmäßig ergangen sei, da die Maßnahme bereits im April durch die LÜVA angedroht wurde, wenn er seine Rinder nicht ordnungsgemäß markiert und registriert. Viehweg hatte seinen Angaben zu Folge Widerspruch eingelegt und begründete dies damit, dass die vorgegebenen Registrierungsmethoden ihm nicht möglich seien.

Die sofortige Vollziehbarkeit der Anordnung der Unschädlichmachung und Beseitigung von Rindern ohne nachvollziehbare Idendität ergäbe sich unter anderem aus dem Tierschutzgesetz schreibt das Gericht. Im darauf verwiesenen Tierschutzgesetz steht folgendes unter Satz 2 Nr.2: „die auf eine Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 1 oder 2, § 26 Absatz 1 oder 2 Nummer 1 oder auf § 39 Absatz 2 gestützt ist, hat keine aufschiebende Wirkung. Ferner hat die Anfechtung einer Anordnung keine aufschiebende Wirkung, soweit die Tötung von Tieren und unschädliche Beseitigung von toten Tieren, Teilen von Tieren und Erzeugnissen auf Grund eines unmittelbar geltenden Rechtsaktes der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich dieses Gesetzes angeordnet worden ist.“Wir erinnern uns: Die EU Norm auf welche sich der Landkreis anfänglich bezog, sagt in der EG 1760/2000 /Artikel 22/Absatz 2d folgendes aus: „wenn der Tierhalter eines Tieres die Identität und Rückverfolgbarkeit des Tieres nicht nachweisen kann: gegebenenfalls auf der Grundlage einer Bewertung der Risiken für die Tiergesundheit und die Lebensmittelsicherheit. Vernichtung des Tieres ohne Gewährung einer Entschädigung,“. Die Tötung der Tiere liegt also im Ermessen der Behörde.

Das Gericht begründete die Maßnahmen allerdings auch noch unter weiteren EU-Normen wie zb. folgender: VO (EG) 494/98: „Kann die Identität eines Tieres nicht innerhalb von zwei Arbeitstagen nachgewiesen werden, so ist es unter Aufsicht der Veterinärbehörden und ohne Gewährung einer Entschädigung durch die zuständige Behörde unverzüglich unschädlich zu beseitigen“. Allerdings sind auch hier Spielräume für die Behörden mittlerweile eingearbeitet worden. „Es sind Sanktionen für bestimmte Fälle festzulegen, in denen die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 820/97 nicht eingehalten werden. Zu diesen Fällen gehört die Nichteinhaltung aller oder einiger Anforderungen bezüglich der Kennzeichnung und Registrierung, der Übernahme von Kosten und der Abgabe von Mitteilungen. Werden in einem bestimmten Betrieb bei mehr als 20 % der Tiere die Anforderungen an Kennzeichnung und Registrierung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 820/97 nicht eingehalten, so sollten die im Rahmen der Sanktionen beschlossenen Maßnahmen für alle Tiere in dem Betrieb gelten.“

Für das Gericht steht fest, dass die Risikobewertung durch den Landkreis sachlich fundiert gewesen sei. Interessant ist allerdings folgendes: Der Begründung des Gerichts nach hatte der Landkreis dem „Pflegepensionantrag“ von Viehweg vom 30.05.2016 keine Ablehnung geschickt wie die Pressesprecherin in einem MDR-Interview aussagte, sondern eine Übergabevereinbarung welche der Tierhalter aber nicht unterzeichnete, sondern laut dem Gericht versuchte abzuändern. Daraus folgte weiterer Schriftverkehr dazu, der bis zum Beginn der Maßnahme am 20. Juni ungeklärt blieb.Hätte man spätestens hier die Maßnahme zumindest verschieben müssen oder konnte man das Aufgrund des geschlossenen Vertrages im Eilentscheidungsverfahren mit der „Spezialfirma“ schon nicht mehr?

Weiter heißt es in der Begründung bzw. Erklärung der Maßnahme: „… Hinzu kommen einige im Verlauf der Maßnahme verendete bzw. verendet vorgefundene Rinder.

Wir erinnern uns: Der Landkreis konnte keine unkontrollierten Tötungen erkennen. „Da die Tierärzte bei jedem Tier die Betäubung kontrolliert haben, bei der Tötung beim Tier blieben und dann auch nach minutenlangem Abwarten, den Tod geprüft haben, dürfte eine Todesqual ausgeschlossen sein. Auch weil alles ruhig und konzentriert gemacht wurde, hat der Einsatz insgesamt so lange gedauert.“ Warum die Tiere „verendeten“ wird darin nicht näher erläutert.

Auch Interessant ist, dass der Landkreis zum 29.April 2016 ein Verkaufsverbot dem Viehhalter aufgelegt hatte und diese laut Verwaltungsgericht wirksam ist. Der Versuch die Tiere also bei anderen Tierhaltern unterzubringen um die Tötung zu verhindern bzw. seine wirtschaftlichen Interessen zu wahren in Form von Kauf oder Pensionsverträgen ist der Ansicht des Gerichtes nach unwirksam.

Wir erinnern uns: Arnd Viehweg hatte der Behörde vorgeworfen, hier Fakten selbst geschaffen zu haben um einer Firma möglicherweise Aufträge zu beschaffen.

Für das Verwaltungsgericht jedenfalls, sind keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit des Verwaltungsaktes zu erkennen und begründet das mit aus seiner Sicht zahlreichen nachgewiesenen Verstößen gegen Kennzeichnungs- und Registrierungspflichten die der Ansicht nach gegen sämtliche EU Normen verstoßen und diversen Verordnungen und Rechtsgrundlagen.  Arndt Viehweg hat seinen Aussagen nach mittlerweile gegen den ergangenen Beschluss Beschwerde beim Sächsischen Oberverwaltungsgericht in Bautzen eingelegt.

Insgesamt wurden den Angaben des Landkreises zur Folge 149 Rinder aufgefunden, davon wurden 72 Tiere zum Verkauf durch den Landkreis freigegeben, 44 Tiere vor Ort getötet weil keine Idendifizierung möglich gewesen sei oder die Tiere krank gewesen sein sollen und weitere 33 Tiere seien nicht klärbar. Demnach mussten 77 Tiere getötet werden, was eine „Unschädlichmachung“ von über 50% der Herde ausmacht.

Mittlerweile hat Arnd Viehweg eine Internetseite geschaltet um die Dinge aus seiner Sicht darzustellen: http://www.vieh-weg.de/

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