Grimma/Golzern. Die Papierfabrik Golzern hat einen neuen Besitzer.
Der Stadtrat machte den Weg für den Verkauf des 42.033 Quadratmeter großen Grundstücks an der Mulde frei. Erwerber ist laut Stadtverwaltung die PPFG GmbH aus Leipzig, vertreten durch die Geschäftsführer Kai-Uwe Schott und Tilo Mann. Der Kaufpreis liege bei 217.000 Euro. Einzig das Leipziger Büro Mann und Schott Architekten meldete sich auf die Verkaufsausschreibung. Eine Investitionsverpflichtung zur Sicherung der Gesamtgebäudelage und Baurechtsschaffung sind Bestandteile des Kaufes. Das Architekturbüro plant die Wiederherstellung des historischen Gebäudeensembles unter Ausbildung des Erdgeschossbereiches mit Durchflutungsräumen und hochwassergeschützter Infrastruktur. Als Nutzungsmöglichkeiten werden Hotellerie und Gastronomie und auch Wohnen sowie Büronutzung gesehen. Die Schaffung von Freiraum für temporäre Nutzungen, wie Ausstellungen, Theater und Events ist Teil der Konzeption.
Hintergrund: Vor 160 Jahren nahm die erste Papierfertigungsmaschine in Golzern ihren Betrieb auf. Seitdem wuchs die Papierfabrik immer weiter. Geblieben ist ein architektonisch herausragendes Industriedenkmal, welches nur darauf wartet, wachgeküsst zu werden. Seit dem Hochwasser 2013 stehen die Hallen leer. Das Unternehmen Papierverarbeitung Golzern GmbH siedelte nach Mutzschen über. Die Stadt Grimma nahm sich dem Denkmal an, um eine Lösung zu finden. Bereits 200.000 Euro investierte die Stadt in verschiedene Gutachten. „Ein Abriss hätte Millionen gekostet, da selbst die Ziegel unter dem Dach als Sondermüll gelten“, so Oberbürgermeister Matthias Berger. „Die Folge wäre gewesen: die Fabrik verfällt“. Man entschied sich, der Fabrik an der Mulde ein zweites Leben zu ermöglichen und schrieb die 42.000 Quadratmeter große Anlage zum Verkauf aus. Bis zum Annahmeschluss meldete sich ein interessiertes Architekturbüro beim Oberbürgermeister. Das Leipziger Büro Mann und Schott Architekten ist gewillt, die Papierfabrik zu retten und die Brache vielseitig zu beleben. An Ideen mangelt es den kreativen Leipzigern nicht. Mit der Revitalisierung der Alten Sternburg Brauerei sowie der Naumannschen Brauerei in Leipzig und der Sanierung der Alten Brikettfabrik Borna (CULT Neukirchen) bringt das Architektenduo die nötigen Referenzen mit.
In einer Bürgerinformationsveranstaltung stellte Architekt Kai-Uwe Schott vor, wie die Zukunft der Papierfabrik aussehen kann. Ziel ist es, dass frühestens in drei Jahren der Um- und Ausbau beginnen kann. Er ist sich der Verantwortung gegenüber dem Denkmal bewusst und der festen Überzeugung, dass das Kulturgut gesichert und belebt werden kann. In der Bürgerveranstaltung formulierte er fünf Zukunftsziele. Vor allem steht der Hochwasserschutz an erster Stelle. Die Papierfabrik steht ganz nah am Fluss. Die Möglichkeit, dass das Wasser im Hochwasserfall rasch und ohne eine Stauung durchfließen kann, hat oberste Priorität. Eine angesprochene Lösung ist es, dass das Erdgeschoss frei von einer dauerhaften Nutzung gehalten wird. Lediglich sogenannte Infrastrukturkerne bilden kleine wasserdichte Inseln, so dass kein Wasser in die sensiblen Leitungsschächte oder Treppenhäuser eindringen kann. Ein weiteres Vorhaben ist der Bau einer zusätzlichen, fußläufigen Erschließungs- beziehungsweise Rettungs ebene. Die Überlegung – den Mühlgraben, ein östlicher Arm der Mulde – freizulegen, ist vorstellbar. Das östliche Grundstück befinden sich im Eigentum der BAT Agrar GmbH & Co. KG (ehemals ATR Landhandel). Nur eine Verlagerung des Betriebs würde genügend Platz schaffen. Der Naturschutz ist dem Leipziger Architekten wichtig. Er möchte die Kellergeschosse lediglich sichern, damit die angesiedelten geschützten Arten hier ihre Lebensräume behalten können. Eine weitere Priorität hat der Denkmalschutz für den Architekten. Der Rückbau nicht denkmalrelevanter Anbauten würde den Charme der Jahrhundertwende um 1900 wieder freilegen. Um die Innenhöfe frei von Fahrverkehr zu halten, ist ein Parkhaus in südöstlicher Achse geplant. Die Aufenthaltsqualität soll gesteigert werden, indem sich im Norden der Papierfabrik eine Grünanlage anschließt. Ein grobes Nutzungskonzept lässt schon viele Ideen durchsickern. Kai-Uwe Schott beschrieb seine Ideen als einen „in sich funktionierenden, lebendigen Organismus“. So soll das Erdgeschoss unangetastet und roh genügend Freiräume für Kreative und Denker vorhalten.
Co-Working-Arbeitsplätze könnten entstehen. Kino-Leinwände verdecken die unverkleideten Wände, davor einfache Paletten, die eine Bar bilden. Die Möglichkeiten sind vielfältig und individuell. Maßgabe ist, dass Mobiliar und Ausstattung im Falle eines Hochwassers schnell gesichert werden können. Über die Lösung „Gebäude im Gebäude“ wäre es möglich einen Nahversorger in den Hallen zu etablieren. Gelungene Beispiele, auch im Hochwassergefährdungsgebiet, zeigen wie es geht. Für das Beleben der Obergeschosse bietet sich in Richtung Osten eine gewerbliche Nutzung an. So könnten sich hier Büros oder ein Hotel einmieten. Für ein Fitnessstudio oder für Tagungsräume wäre auch hier Platz. Die Gebäudeteile in Richtung Bahren sind für Wohnräume prädestiniert. Hübsche Loft-Wohnungen sollen die Nachfrage befriedigen. Ergänzt werden kann das Leben in der Fabrik durch eine Gastronomie neben dem Wasserkraftwerk im Süden mit Blick auf den Fluss, einer kleinen Marina für Wassersportler und einer Belebung durch Kunst-Ausstellungen und Märkte. Und das alles weitestgehend autofrei. Geparkt wird draußen im mit natürlichem Grün umgebenen Parkhaus. Die Vertreter der Ortschaftsräte Döben und Nerchau sowie die zur Präsentation anwesenden Bürgerinnen und Bürger sahen dem Vorhaben positiv entgegen. Was sie sich sehr wünschen würden, ist die Öffnung des Mühlgrabens. Der Verkauf wird nun im Stadtrat behandelt. Nach einer Veräußerung beginnen die ersten Sicherungsmaßnahmen, die Feinplanung und die Abstimmung mit den Behörden. Der neue Eigentümer verpflichtet sich binnen weniger Jahre zu einer Investition und zur Baurechtschaffung.