Grimma. Zum Thema:“Krankenhaus Grimma, bald selbst ein Patient?“ fand am Dienstagabend in Grimma eine Podiumsdiskussion statt.
Gut 200 Personen wohnten der Veranstaltung, welche durch den Grimmaer Oberbรผrgermeister Matthias Berger initiiert wurde, bei. Auf dem Podium nahmen neben Berger, Landrat Henry Graichen, Amtsgerichtsdirektorin Katja Kohlschmid als Moderatorin, Aufsichtsrat der Muldentalkliniken Josef Eisenmann, die freiberuflich tรคtige Hebamme Mandy Wendrich, sowie der ehemalige Bรผrgermeister der Stadt Colditz, Matthias Schmiedel, platz.
Nach kurzer Einfรผhrung durch Katja Kohlschmid, welche die Veranstaltung moderierte, berichteten die Teilnehmer รผber ihre Ansichten und versuchten auch mit Vorurteilen bzw. aus ihrer Sicht falschen Darstellungen in der Presse aufzurรคumen, danach konnten Besucher ihre Fragen an das Podium stellen. Vorangegangen waren Entscheidungen des Aufsichtsrates entgegen einer Umstrukturierungempfehlung aus einem Gutachten in beiden Hรคusern in Grimma und Wurzen. Zudem wurde Geschรคftsfรผhrer Mike Schuffenhauer nach einer Podiumsdiskussion in Wurzen von seinen Aufgaben entbunden. Streitpunkt war auch an diesem Abend die Geburtshilfe und Pรคdiatrie der Muldentalkliniken.
Zur Erinnerung: Beide Standorte besitzen eine Geburtshilfe und Wurzen zusรคtzlich eine Pรคdiatrie (Kinderklinik). Laut Gutachten sollte Geburtshilfe und Pรคdiatrie in Grimma gebรผndelt werden, da der Investitionsbedarf in Grimma geringer wรคre. Um beide Standorte zu erhalten, empfiehlt das Gutachten die Spezialisierung der beiden Standorte auf bestimmte Bereiche. Der Aufsichtsrat entschloss sich mit knapper Mehrheit gegen die Empfehlung, die Geburtshilfe und Pรคdiatrie in Grimma zu bรผndeln.
Berger wies auf die bereits stattgefundene Verlegung der Traumatologie von Grimma nach Wurzen. „Wir haben damals kein Fass aufgemacht und uns auf die Empfehlungen von Fachleuten verlassen„. Er verstehe die „Polemik“ und das „politische Wunschdenken“ aus der Diskussion um die Geburtshilfe und Pรคdiatrie nicht, da die Fakten durch das Gutachten auf der Hand liegen wรผrden. Er sei klar fรผr den Erhalt von beiden Standorten, wรผnscht sich aber einen sachlichen und realistischen Dialog und daraus resultierende Entscheidungen. Aus seiner Sicht kรถnnten beide Standorte in der Zukunft durch solche politischen Entscheidungen, wie sie stattgefunden hรคtten, groรen Schaden nehmen.
Graichen entgegnete dem, man habe sich in den meisten Entscheidungen an das Gutachten gehalten, man sei lediglich bei dem Thema davon abgewichen. Es gab zudem auch laut Graichen verschiedene Empfehlungen aus dem Gutachten. Zudem mรผsse man bei der Standortentscheidung nicht nur Grimma und Wurzen einbeziehen. Leisnig und Oschatz hรคtten ihre entsprechenden Stationen geschlossen, zudem gebe es Vereinbarungen zwischen Wurzen und Eilenburg.
Matthias Schmiedel, ehemaliges Mitglied des Aufsichtsrats, bemรคngelte die Art der Kommunikation mit der รffentlichkeit und vor allem den Mitarbeitern. Verรคnderungen kรถnne man nur gemeinsam tragen. Er appellierte, wie im weiteren Verlauf des Abends viele Redner und Rednerinnen, daran, dass es nicht um zwei Standorte gehe, sondern um das Gesamtklinikum. Er nahm auch Schuffenhauer in Schutz. Er habe schon 2020ย gewarnt, dass etwas passieren mรผsse, da er sonst als Geschรคftsfรผhrer irgendwann Insolvenz anmelden mรผsste. Er war laut Schmiedel der Erste „der es mal wirklich ausdrรผckt.“ Viele hรคtten demnach um den heiรen Brei geredet. Nur wenn alle mitmachen, hรคtten die Kliniken an beiden Standorten eine รberlebenschance. Fรผr sein Statement bekam er viel Applaus aus den Reihen der Zuschauer.
Mandy Wendrich, freiberuflich tรคtige Hebamme in Grimma, informierte die Zuhรถrer รผber die gute und individuelle Betreuung der Mรผtter in Grimma. Insgesamt seien zwรถlf Hebammen freiberuflich im „Grimmaer Modell“ tรคtig.
Aufsichtsrat Josef Eisenmann, erinnerte unter Anderem daran, dass, wenn an beiden Standorten bestimmte Bereiche parallel angeboten werden, hier auch doppeltes Personal vorgehalten werden mรผsse. Auch die Unterhaltskosten wรผrden sich verdoppeln.
Zu Beginn der Fragerunde รผbernahm Dr. med. Ulrich Piskazeck, Standortรผbergreifender Chefarzt fรผr Gynรคkologie an den Muldentalkliniken das Mikrofon und erinnerte emotional daran, dass fรผr den Erhalt von beiden Standorten in seinem Bereich dringend Fachรคrzte und Personal benรถtigt werde. Seine Abteilung laufe am Limit und รผberschreite regelmรครig die Vorgaben aus dem Arbeitszeitschutzgesetz. Er kรถnne die Entscheidung schon allein durch den Personalbedarf, um beide Standorte so beizubehalten, nicht nachvollziehen.
Es folgten viele Wortmeldungen, vornehmlich aus den Reihen der Beschรคftigten bzw. ehemaligen Beschรคftigten beider Hรคuser. Es folgte ein Fรผr und Wider mit dem Fokus aufย Entscheidungen zur Geburtshilfe und Pรคdiatrie รคhnlich wie in Wurzen. Immer wieder wurde auch Kritik am Betriebsrat laut, welcher eigene Interessen voranstellen wรผrde. Heraus kristallisierte sich, dass die meisten Fragen an den Landrat gingen, der sich in vielerlei Hinsicht erklรคren musste. Graichen ist Aufsichtsratsvorsitzender der Muldentalkliniken. Klare Zahlen zu benennen sei unseriรถs, entgegnete der Landrat auf Fragen zur Finanzierung. Die Entscheidungen mรผssten nun in den Krankenhausplan aufgenommen werden. Konkrete Zahlen und daraus resultierende Investitionen, kรถnne man erst dann benennen. Laut Graichen haben die Muldentalkliniken 2022 einen positiven Haushalt aufzuweisen. Aufgrund der gestiegenen Preise sei aktuell fรผr 2023 mit einem Defizit zu rechnen. Sรคmtliche Entscheidungen des Aufsichtsrates sind laut Graichen durch รคuรere Einflรผsse, wie beispielsweise die Krankenhausreform und Vorgaben durch den Bund, aber nicht in Stein gemeiรelt. Nach gut zweieinhalb Stunden sachlichen Meinungsaustausch hatten nun auch die Grimmaer ebenfalls die Mรถglichkeit, ihre Interessen kundzutun und sich Gehรถr in der รถffentlichen Diskussion zu verschaffen.