Wegen Doppelmitgliedschaft: Oschatz setzt Feuerwehrkameraden vor die Tür

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Für Felix bleibt das Rolltor der Freiwilligen Feuerwehr Schmorkau in Zukunft geschlossen. Foto: Sören Müller

Oschatz/Mutzschen. In Sachsen sind viele Feuerwehrmitglieder neben ihrer Heimatwehr auch an ihrem Arbeitsort  in den jeweiligen Feuerwehren aktiv, um die Einsatzbereitschaften abzusichern. In Oschatz hat man aufgrund solch einer Doppelmitgliedschaft einen Feuerwehrkameraden kurz vor Weihnachten rausgeworfen. Was war passiert?

Der 22-Jährige Felix Bohn war am 01. Juni in die Freiwillige Feuerwehr Schmorkau, einer Ortsfeuerwehr der Stadt Oschatz, eingetreten. Er wollte damit seine Kameraden in seinem Wohnort unterstützen. Schmorkau hatte zu dem Zeitpunkt nur sieben aktive Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr und freuten sich über den Zuwachs. Zeitnah absolvierte der KFZ-Mechatroniker die Grundausbildung in seinem Sommerurlaub und nahm zusätzlich auch Kameraden aus der Freiwilligen Feuerwehr Oschatz per Fahrgemeinschaft zum Ausbildungsort nach Mügeln mit.

Da Felix mittlerweile eine neue Arbeitsstelle in Mutzschen angenommen hatte, fragte er den Schmorkauer Feuerwehr- Abteilungsleiter Jens Fischer (44), ob er auch in der Freiwilligen Feuerwehr Mutzschen eintreten könnte, um dort die Tageseinsatzbereitschaft zu unterstützen.

Fischer verwies zur Klärung auf den Stadtwehrleiter Lars Natzke der Stadt Oschatz. „Daraufhin habe ich die nächste Gelegenheit genutzt, um mit Lars Natzke über eine eventuelle Doppelmitgliedschaft in der FFW Mutzschen zu sprechen.“  erzählte uns Felix. Daraufhin soll der Stadtwehrleiter mündlich entgegnet haben, dass dies kein Problem darstelle und er dieses weitergebe.

„Leider bestreitet er diese Aussage heute“, die aber laut Felix eine Kameradin, die ihn begleitete und vor der offenen Tür dem Gespräch lauschen konnte, auch uns bestätigte. Mit der mündlichen Zusage bewarb sich Felix bei der Feuerwehr Mutzschen und wurde laut Mutzschener Feuerwehrchef David Kamphrath dankbar aufgenommen. „Die Tageseinsatzbereitschaft aufrechtzuerhalten ist für viele Feuerwehren ein schwieriges Unterfangen. Wir sind zwar gut aufgestellt, freuen uns aber immer über tatkräftige Unterstützung. Auch wir haben Kameraden in Doppelmitgliedschaft in unseren Reihen. Probleme gab es noch nie, denn die Kameraden wären durch ihren Arbeitsort sonst ohnehin nicht für ihre Heimatfeuerwehr verfügbar gewesen. “

Anfang November nahm die böse Überraschung dann ihren Lauf: „Ich sollte nach Oschatz in die Feuerwehr zu einem Gespräch kommen. Ich bin daraufhin gemeinsam mit meinem Feuerwehr-Abteilungsleiter zu dem Gespräch mit dem Stadtwehrleiter gekommen. In dem Gespräch teilte er mir mit, dass meine Doppelmitgliedschaft in der FFW Mutzschen durch den Stadtfeuerwehrausschuss abgelehnt worden sei und stellte mich zur Wahl entweder Schmorkau oder Mutzschen.“ , so der geschockte Felix.

„Ich bat ihn höflich und sachlich nach den Gründen der Ablehnung und wollte diese gern schriftlich haben“, auch um sich in Mutzschen erklären zu können. „Ich habe den Stadtwehrleiter nochmal darauf angesprochen, dass ich mich auf seine Aussage verlassen habe, dass eine Doppelmitgliedschaft kein Problem darstellt. Danach drohte er mir, dass mein Verhalten Thema bei der nächsten Stadtfeuerwehrausschusssitzung sein wird, ich auf Probe bin und ich zu jeder Zeit rausgeworfen werden kann. Aufgrund dieser Drohung unterbrach demzufolge  Schmorkaus Abteilungsleiter das Gespräch.

Anfang Dezember kam dann die schriftliche Begründung samt Kündigung per Brief zu Felix. Diese hatte es in sich. Im Schreiben selbst wurde die „Probemitgliedschaft“ in der Feuerwehr Schmorkau  beendet. „Die Stadtwehrleitung schätze ein, „dass diese Probezeit nicht erfolgreich absolviert“ wurde und einer „dauerhaften Mitgliedschaft nicht zugestimmt werde“. Weiter heißt es, dass Felix ohne Zustimmung  in die Feuerwehr Mutzschen eingetreten sei. Laut dem Schreiben hätte der Stadtwehrleiter Felix darauf hingewiesen , dass eine weitere Mitgliedschaft in einer weiteren Feuerwehr nicht genehmigt werden könne. Berufen wird sich darin auf die Feuerwehrsatzung der Stadt Oschatz. „Bewerber sollten in der Stadt Oschatz wohnhaft sein und möglichst in keiner anderen Hilfsorganisation aktiv tätig sein. Der zuständige Feuerwehrausschuss könne aber  Ausnahmen zulassen.“ heißt es darin.

Die weitere Begründung wird dann zumindest schon fragwürdig, denn sie widerspricht der eigenen Satzung. So heißt es im Wortlaut: „Da eine Doppelmitgliedschaft sich in der Vergangenheit  zum Teil ungünstig auf durchzuführende Dienste, Einsätze, und Lehrgänge ausgewirkt hat, wir der Feuerwehrausschuss dieser auch bei ordentlicher Antragstellung nicht zustimmen“. Das I-Tüpfelchen in dem Schreiben ist jedoch noch eine weitere Unterstellung. So habe sich Felix bei dem Gespräch mit dem Stadtwehrleiter „respektlos“ und uneinsichtig gezeigt. Die Stadtwehrleitung sehe darin ein gestörtes Vertrauensverhältnis.

Der Schock stand Felix ins Gesicht geschrieben, doch wenn man den Text näher beleuchtet, ergeben sich gewisse Widersprüche und Unstimmigkeiten. Abteilungsleiter Jens Fischer, der dem Gespräch mit dem Stadtwehrleiter beiwohnte, konnte keine Respektlosigkeiten feststellen. Er bescheinigte Felix ein engagiertes und kameradschaftliches Auftreten in seiner Ortsfeuerwehr. Für Schmorkau war der Eintritt des jungen KFZ-Mechatronikers eine Bereicherung.

So ist zum Einen beispielsweise in der Feuerwehrsatzung der Stadt Oschatz gar keine Probemitgliedschaft erwähnt, zum Anderen hat der Oberbürgermeister laut Satzung das letzte Wort:  „Der Oberbürgermeister entscheidet nach Anhörung des Stadtfeuerwehrausschusses über die Entlassung oder den Ausschluss und stellt die Beendigung des Feuerwehrdienstes unter Angabe der Gründe schriftlich fest.“. Das Schreiben selbst wurde allerdings nur durch den Stadtwehrleiter und eine Amtsleiterin unterzeichnet. Auch eine eigentlich gängige Praxis bei Unstimmigkeiten im Feuerwehrwesen, die offizielle Anhörung im Feuerwehrausschuss oder gar eine Abmahnung als milderes Sanktionsmittel, erschien der Stadt offenbar bzw. der Stadtwehrleitung kein adäquates Mittel zu sein.

Auf Anfrage bei der Stadt Oschatz hieß es lediglich:  „Zu den Gründen der Nichtgenehmigung der Doppelmitgliedschaft und der Nichtaufnahme von Herrn B. werden wir uns nicht öffentlich äußern. Es handelt sich um eine interne Angelegenheit der Freiwilligen Feuerwehr Oschatz und Herrn B.“. Bei Bedarf zur Klärung von Unstimmigkeiten stehen aber der Oberbürgermeister und der Stadtwehrleiter Felix  zu einem Gespräch zur Verfügung. Die meisten Fragen zu den Vorwürfen und Hintergründen beantwortete uns die Stadt Oschatz nicht und verpasste damit die Gelegenheit, sich transparent zu erklären.

Noch merkwürdiger erscheint der ganze Vorfall, wenn man die LVZ-Aktion: Helden der Region und die damit verbundene Berichterstattung verfolgt hat. Im Artikel vom 09. Oktober diesen Jahres wurde mit dem Thema Doppelmitgliedschaft, welches im Übrigen auch das Sächsische Brandschutzgesetz mit einer Kann –Bestimmung zulässt, noch offener umgegangen:  „Seit einigen Jahren ist bei der Oschatzer Wehr eine Doppelmitgliedschaft möglich. Damit können in Oschatz Einsatzkräfte, die beispielsweise eine andere Heimatwehr haben, aber hier arbeiten, mit ausrücken.“. Man nutzt wie fast überall selbst die Möglichkeit von Doppelmitgliedschaften zu profitieren, aber verbietet den eigenen Feuerwehrkameraden selbiges? Auch das wollte die Stadtverwaltung nicht kommentieren. Heldenhaft ist das sicherlich nicht.

Kommentar: Es ist ein Unding, wie man hier mit Kameraden einer ohnehin schon mit wenigen Mitgliedern gesegneten Feuerwehr umgeht. Es erweckt den Eindruck, dass hier persönliche Befindlichkeiten der Stadtwehrleitung vorrangig sind. Mit gesundem Menschenverstand ist diese Maßnahme wohl kaum zu erklären oder zu verstehen. Zwar stehe die Feuerwehr Schmorkau laut Stadtverwaltung nicht zur Disposition, allerdings gewinnt man den Eindruck, dass hier die Mitgliederzahlen absichtlich klein gehalten werden sollen. Schlussendlich sind durch solche Entscheidungen immer zuerst die Bürger, welche Hilfe brauchen, die Leidtragenden. Wenn eine ortsnahe Feuerwehr nicht mehr ausrücken kann, können mitunter wichtige Minuten verloren gehen. In vielen Kommunen in Nordsachsen und auch allgemein in Sachsen ist die Doppelmitgliedschaft Usus. Gerade in Zeiten, in denen überall in Sachsen händeringend um Nachwuchs geworben wird, stellt der Umgang der Stadt Oschatz mit den im Ehrenamt ausgeübten Freiwilligen Feuerwehrkameraden, welche sich bewusst für eine Doppelmitgliedschaft entscheiden, eine der wenigen Ausnahmen dar. Hier sollten sich die Verantwortlichen dringend überdenken, andernfalls muss sich die Stadt Oschatz blanken Egoismus vorwerfen lassen. Sören Müller >>>Update<<<