Landkreis Leipzig/Wurzen. Was genau unterscheidet Schulen, in denen Inklusion gelingt von solchen, wo sie scheitert? Gemeinsam mit der Wurzener Stadtverwaltung wollen die städtische Integrationsbeauftragte Frauke Sehrt und Gleichstellungsbeauftragte Sylke Mathiebe dieser Frage auf den Grund gehen.
Anhand von konkreten Einzelfällen wollen sie erforschen, wie Schulen im Landkreis Leipzig mit dem Thema Inklusion umgehen, welche positiven oder negativen Erfahrungen Betroffene und deren Angehörige im Umgang mit Schulleitungen, Jugendämtern, Beratungsstellen gemacht haben, welche Hilfsangebote es gibt, ob und wie sie von den jeweiligen Schulen genutzt bzw. zugelassen werden und welche Rolle Mitschüler und deren Eltern, Lehrer und Erzieher spielen.
Dabei soll auch analysiert werden, welche Kompetenzen Schulleiter, Schulsozialpädagogen und Vertrauenslehrer in Bezug auf Inklusion brauchen, welche konkreten Rahmenbedingungen das Schulgesetz vorgeben müsste und wo erweiterte Mitspracherechte in bisher schulinternen Entscheidungen von Eltern, Ärzten, Therapeuten und anderen Fachpersonen sowie Jugendamt nötig wären, um betroffene Kinder vor zusätzlichen Belastungen zu schützen. Auch in sächsischen Schulen sollen laut Kultusministerium „die Intentionen der UN- Behindertenrechts-Konvention nach gleichberechtigter, aktiver Teilhabe von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf bzw. Behinderung in einem inklusiven Bildungssystem“ aufgegriffen werden und die „Möglichkeiten der gemeinsamen Unterrichtung von Schülerinnen und Schülern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf bzw. Behinderung“ erweitert werden.
Auf der Webseite www.inklusion.bildung.sachsen.de findet man zahlreiche Projekte und positive Praxisbeispiele. Unter anderem läuft derzeit an vier Grundschulen im Landkreis Leipzig ein Pilotprojekt Inklusion, in dessen Rahmen der Verzicht auf sonderpädagogische Diagnostik in den Förderschwerpunkten Lernen sowie emotionale und soziale Entwicklung vor der Einschulung oder in der Klassenstufe 1 vorbereitet und erprobt wird. Wenige Informationen findet man allerdings über die Fälle, in denen Schulen und/oder Schüler den Herausforderungen, die Inklusion an Betroffene und Schulumfeld stellt, nicht gewachsen sind und Inklusion scheitert. Für die betroffenen Kinder kann das insbesondere dann fatale Folgen haben, wenn seitens der Schule auf ihr von der allgemeinen Norm abweichendes Verhalten mit Disziplinarmaßnahmen bis hin zum Schulausschluss reagiert wird, was gerade bei Schülern mit Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung (z. B. Autisten oder Opfer von Traumatisierungen) eine häufige Reaktion auf störungsspezifische Verhaltensweisen ist.
Nur selten wehren sich Eltern behinderter Kinder gegen verhängte Ordnungsmaßnahmen wie einen Schulausschluss, zum einen aus Angst, dass ihr Kind stigmatisiert wird, zum anderen aus der Befürchtung, selbst als schuldig am auffälligen Verhalten ihres Kindes dargestellt zu werden, weil sie sich angeblich nicht ausreichend um ihren Sprössling gekümmert bzw. diesen nicht anständig erzogen hätten. Für die betroffenen Kinder bedeutet der Schulausschluss neben dem Gefühl, versagt zu haben bzw. ggf. auch ungerecht behandelt zu werden, da sie ja für ihre Behinderung nichts können, auch den Verlust ihres gewohnten Umfeldes, vertrauter Mitschüler und Lehrer, was oftmals zu zusätzlicher Überforderung führt. Betroffene oder Interessierte, die über ihre Erfahrungen berichten oder sich austauschen möchten, wenden sich bitte per Mail an frauke.sehrt@ndk-wurzen.de oder s.mathiebe@hotmail.de . Selbstverständlich werden alle Informationen auf Wunsch vertraulich behandelt. Die Ergebnisse der Forschungen sollen in die Evaluation des derzeit auch an zwei Wurzener Grundschulen laufenden Pilotprojektes Inklusion einfließen.