Grimma. Bereits zur Tradition geworden ist die Silvesterwanderung von Rudolf Priemer, dem Vorsitzenden des Geschichts- und Altertumsvereins. Am Donnerstag, dem 31. Dezember, treffen sich alle Interessierten 9.00 Uhr am Marktbrunnen. Unter dem Motto „Türen, Tore, Fenster“ lenkt der Stadtführer den Blick auf ganz besondere Perspektiven und gibt Wissenswertes und wenig Bekanntes über die Stadt Grimma preis.Türen, Tore und Fenster
„Vor mehr als zehn Jahren wurde durch die Silvesterwanderungen Grimma immer umrundet, auch bei Wind und Wetter kamen die zusammen, die sich zum letzten Mal am Jahresende noch einmal auslüften wollten, mit ähnlich oder gleich Gesinnten ein bisschen heiter und auch bildend. Die Kreise sind enger geworden. Das Stadtzentrum bietet Stoff genug dazu. Was bekannt zu sein scheint, bietet genug Stoff, sich da hinein zu vertiefen. Das Alltägliche, scheinbar längst Bekannte hat viele Bezüge und Brücken auch über weite Strecken. Wir gehen ständig durch Türen, manchmal durch Tore und suchen von innen zu sehen, was draußen los ist. Von da erwarten wir zuerst Licht, haben selten Lichtblicke manchmal auch ein paar Einfälle. Der größte Teile unseres Lebens spielt sich in Gebäuden ab. Diesmal geht es um „Gebäudeöffnungen“. Die älteste Tür zu einem öffentlichen Gebäude der Stadt ist die eine gut sichtbare Tür des ersten Grimmaer Rathauses. Natürlich gib es kein Datum des Baubeginns des Steinbaues, die folgenden Daten werden aber immer genauer. In dem einen Raum des „ur-Rathauses“ sind gleich zwei der ursprünglich vier ersten Rathausportale. Es ist ein romanisches Rundbogenportal, gemeißelt aus dem hellen Grimmaer Porphyr. Es war sehr lange tief versteckt unter dem Marktpflaster, wie die erste Blütezeit der Stadt um 1230. Die sich schnell entwickelnde Stadt und Nebenresidenz der Meißner Wettiner, weitete sich nach Norden aus, dazu gehörte der „Neumarkt“ mit dem ersten Rathaus im System der parallelen Straßen. Unweit davon sehen wir irdisch und oberirdisch das Hauptportal der ehem. „Spar- und Girokasse Grimma“ von 1930. Die Loggia ist eigentlich „ein großes Loch in der Fassade“, das ist unauffällig, durchsichtig und hell geschlossen. Den Raum dahinter betreten wir nur durch eine Stahltür, die so alt ist wie das Haus. Der Rahmen der ganzen stählernen Verglasung hat nicht nur neben einem veredelnden galvanischen Bad gestanden, die Arbeit wurde so solide ausgeführt, dass es keinen Grund gibt, ihn auszutauschen! In jedem Fall wird ein Gebäude durch die Tür betreten und verschließbar gemacht. Aber keine gleicht einer anderen – nach Material, Stil und Gestalt, wie auch die Anforderungen an sie sehr verschiedene sind! Große Gegenstände oder viele Menschen haben Tore zu passieren. Und was hinter den Mauern zu sehen ist, angeboten oder verhüllt wird, sehen wir durch ein Fenster. Vor mehr als 2 000 Jahren sah man in Rom durch ein noch nicht verglastes „fenestra“, hatte aber eine „porta“ in einer „mura“ zu passieren – um hinein oder heraus zu kommen. Der Sinn der Lehnworte hat sich nicht geändert, wohl aber ständig die Ausführungen der Dinge. Ständig sind die neuen Anforderungen an die Türen, Tore und Fenster zu erfüllen, jüngst können dazu ganz neue Materialien verwendet werden. Die längste Zeit stand die Reparatur vor grundsätzlicher Erneuerung, wenn etwas verschlissen war. Wie seit eh und je gilt dabei wie auch bei der Herstellung und Verarbeitung: schnell reimt sich nicht auf gut! Das wird jüngst verballhornt: was lange hält, bringt kein Geld. Solide getischlerte Türen überstehen Generationen von Nutzern, die billigen „Baumarkt-Türen“ können nicht lange halten, sie verschleißen sachlich und auch modisch schnell. Langfristig handelnde Bauherren versuchen preiswert zu bauen! In jedem Fall vermitteln Tür- und Fensteröffnungen zwischen außen und innen, wie draußen und drinnen, können auffordernd wirken – wie ab- und verschließend. Ihr Leben wird verlängert, seit es mehr Möglichkeiten der Konservierung gibt, als die Behandlung mit Leinölfirnis, getönte Farbanstriche sind seit langem bekannt. Unübersehbar war schon immer die Fülle der Haus- und Zimmertüren. Seit man beim Tischlern der Möbel das Prinzip von Füllung und Rahmen kennt, treten an die Stelle von Brettertüren die mit Füllungen. Keine Haustür gleicht einer anderen! Gute Barocktüren sind aus Eichenholz getischlert worden, solche aus Nadelholz hat man schon frühzeitig deckend gestrichen – um die Äste zu verdecken. Sie sind wie eh und je die Visitenkarten der Bauherren und Nutzer. Innentüren sind schon immer weniger aufwändig, dafür modisch ausgeführt worden. Tore sind seit langem nicht mehr vor allem der Abwehr halber angebracht worden, sie sollen vor allem abschließen und Einblicke ausschließen, aber auch dazu einladen und neugierig machen. Dafür wird seit Jahrhunderten Eisen neben Holz als Werkstoff verwendet, so können wir geschmiedete neben gezimmerten Toren sehen. An die Auffälligen werden meist höhere Gestaltungsansprüche gestellt. Jetzt ist die Auswahl der möglichen Farben und ihre Zusammensetzungen wenig begrenzt, aber ebenso auch die Möglichkeiten, bei guter Absicht das Falsche zu machen. Darum: „Nicht verzagen – Dornig fragen“! Die Fenster waren und sind oft schneller verschlissen, als Türen oder Tore. Sie werden seit Beginn der Neuzeit durchsichtig „verglast“ und nicht mehr nur durchscheinend geschlossen. Seit Flachglas preiswert hergestellt wird, treten vielfach Varianten der Gestaltung auf. Mit „gezogenem Glas“ ist es möglich, große Schaufensterscheiben herzustellen. Die Glaser trennten sich von den Tischlern, die sich von den Zimmerleuten als Spezialisten abspalteten, oft konkurrierten sie auch gegeneinander. Zur Unterscheidung trugen die Tischler blaue, die Glaser grüne Schürzen! Mit den Plastwerkstoffen sind wieder grundsätzliche Wandlungen verbunden, an die Stelle des handwerklichen Spezialisten tritt der mit Maschinen arbeitende Fensterbauer. Der hat vor allem Aufträge abzuarbeiten und weiß nicht immer, wo die von ihm maschinell perfektionistisch gefertigten Fenster eingebaut werden. Die staatlich genau festgelegten Bedingungen nach der „Wärmeschutzverordnung“ kann „Handwerkskunst“ ausschließen, engt sie ein. Es werden fast alle technischen Lösungen möglich – manche sehen auch danach aus. Unterdessen streitet man nicht mehr: Holz oder Plaste – es gibt bei allem gute und schlechte Lösungen. Sie sind äußerlich leicht voneinander zu unterscheiden: die Holzeile der Fensterflügel werden waage- oder senkrecht gefügt, Plasteprofile verschweiß man in 45-Grad-Winkeln. Niemand hat mehr meist vergeblich zu versuchen, „Nerchauer Fensterfarbe“ an das Holz zu heften. Wie es um die Dauer der Plastefenster steht, wissen wir noch nicht. Beide müssen als „Sondermüll“ entsorgt werden. Und wie geht es weiter? Türen, Tore und Fenster werden immer gebaut!“ Text: Rudolf Priemer
Quelle: PM Stadt Grimma/Rudolf Priemer