Rechtsaufsicht schritt ein: Stadt Grimma nicht mehr an Lokalpatrioten-Kanälen beteiligt

"Als Kommunalaufsicht sind bei uns alle Warnlampen angegangen"

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Archivbild/Sören Müller

Grimma. Über die Initiative zur Altstadtbelebung Grimmas namens Lokalpatriot hatten wir an verschiedenen Stellen berichtet. Mitte Oktober deckten wir einige Ungereimtheiten auf. Nun gibt es neue Erkenntnisse und Ereignisse.

Zu Beginn ein wenig Blick in die Historie, um zu verstehen, worum es geht. Im März dieses Jahres stellten die Interessengemeinschaft „Altstadt beleben“. Beziehungsweise das so genannte „Impulsteam“ ihre Ideen und Projekte vor, welche sie laut eigenen Angaben seit zweieinhalb Jahren hinter verschlossenen Türen erarbeitet hatten. Neben neuen Veranstaltungen und einem Wegeleitsystem war auch Gratiswerbung über soziale Kanäle im Gespräch. Letzteres ist nun offiziell mit einem Instagram-Account und einer Facebook-Seite angelaufen. An der Idee, dass eine Kommune für ihre Händler wirbt, ist generell moralisch nichts zu beantstanden. Das zeugt von Bürger- bzw. Unternehmernähe und schafft Vertrauen bei den Händlern. Doch rechtlich sauber ist das nicht.

So berichtete das Fachmagazin kommunal.de Ende August , das sich an Behörden und Kommunen richtet, über die Ambitionen der Stadt Grimma. Auch ein kritisch bewertender Kommentar, der hier bei uns erschien, wurde zitiert. Die Rechtsaufsicht des Landkreises Leipzig reagierte ebenfalls und bat darum, das Projekt einzustampfen. „Als Kommunalaufsicht sind bei uns alle Warnlampen angegangen. Erstens darf eine Stadt nicht einzelne Unternehmen bewerben – auch nicht über private Personen. Und zweitens hat die Internetseite von Grimma auf den Instagram-Account verlinkt, wodurch der Eindruck entstanden ist, dass die Stadt dort ihre eigenen persönlichen Lieblingsgeschäfte vorstellt. Und genau dieser Eindruck ist ein Verstoß gegen das Neutralitätsgebot. Hinzu kommt, dass die positiven Berichte die Besucherzahlen und somit den Umsatz der Händler erhöhen sollen – was eine unzulässige Wettbewerbsverzerrung darstellt“, so Brigitte Laux, Sprecherin des Landkreis Leipzig gegenüber kommunal.de.

Die Stadt Grimma reagierte und legte den Instagram-Account vorerst still. Auf Anfrage über die Gründe der Stilllegung sagte Stadtsprecher Sebastian Bachan, der auch Mitglied der Marketinggruppe des Impulsteams ist, dass Anfragen von Einzelhändlern und Gastronomen vorlägen, die sich für den Kanal interessieren. Zudem sei ein „Umzug“ des Kanals geplant, was auch erkläre, warum keine Beiträge mehr existieren. Vom Hinweis der Rechtsaufsicht im Sommer: kein Wort. Im Gegenteil: Nach „Erinnerung“ von Altstadtkoordinator Frank Schütz sei es nun ein „örtliches Medienunternehmen“ gewesen, das „Beschwerde“ bei der Rechtsaufsichtsbehörde eingelegt hätte.

Die nach eigenen Angaben ehrenamtlich engagierten Mitglieder der Marketinggruppe fanden aber zeitnah eine Lösung: Die Geschäftsführerin von Muldental TV, die sich ehrenamtlich bei der Initiative engagiert, bedauerte es, dass der Kanal nicht weiter betreut werde. „Wir entschlossen uns, den Kanal zu übernehmen“, lässt sie sich seitens Stadtsprecher Bachan zitieren. Das Impulsteam befürwortete laut eigenen Angaben die Übernahme. Frank Schütz fügte hinzu: „Weitere Interessenbekundungen, den Kanal zu übernehmen, lagen uns nicht vor.“ Allerdings: dass die Möglichkeit der Übernahme durch ein anderes Unternehmen bestanden hätte, wurde nie mitgeteilt. Eine öffentliche Ausschreibung oder Information gab es nicht. Immerhin: Haushaltsmittel sollen nicht in die Social-Media-Kampagne fließen, wird Schütz zitiert.

Dass der Begriff Lokalpatriot – wie berichtet – markenrechtlich geschützt ist, sei bei der Stadt Grimma bekannt. Die Nutzung habe man mit dem Markeninhaber der DEW 21 – Dortmunder Energie- und Wasserversorgung GmbH abgeklärt. Wann das passierte, ist unklar. Immerhin bestätigt die Sprecherin der DEW 21: „Als Inhaberin der Marke „Lokalpatriot“; haben wir hinsichtlich einer Betätigung des ehrenamtlichen Impulsteams auf dem Gebiet der regionalen Stadtentwicklung der Stadt Grimma durch Verwendung des Namens „Lokalpatriot- fahr nicht fort-kauf im Ort“ nichts einzuwenden, so lange die Namensverwendung regional begrenzt auf die Stadt Grimma und das Umland bleibt.“ Allerdings: Betrieben werden die Accounts, welche die Marke Lokalpatriot nutzen, gar nicht von der Stadt Grimma. Im Gegenteil: Nach der Aufforderung der Rechtsaufsicht hat sich die Kommune offiziell rausgenommen. Im Impressum der Facebook-Seite ist Muldental TV als Betreiber angegeben. Auf dem Instagram-Account ist ebenfalls die Website des Senders eingetragen. Selbiger betreibt nun also die Kanäle und bietet zum einen kostenlose Präsenz, verkauft aber gleichzeitig auch weitere kostenpflichtige Pakete. Ob das dann noch eine „ehrenamtliche Betätigung des Impulsteams“ unter Nutzung der Marke Lokalpatriot darstellt, darf zumindest bezweifelt werden. Und auch die DEW 21 hat klar geregelt: „Diese Duldung ist nicht auf Dritte übertragbar und kann von uns aus wichtigem Grund widerrufen werden, insbesondere wenn die Nutzung des Zeichens geeignet ist, unsere Interessen als Markeninhaberin negativ zu beeinträchtigen.“ Eine solche negative Beeinträchtigung könnte durchaus der „offene Brief“ darstellen, der kürzlich auf der Facebook-Seite der Grimmaer Lokalpatrioten veröffentlicht wurde. Zu den Hintergründen informieren wir in einem Video auf Youtube. (https://youtu.be/VAd_RxyttPk).

Insgesamt ist die Idee der Lokalpatrioten nicht neu. Sagt auch die Stadt Grimma und vergleicht sich mit der bayrischen Stadt Hof mit 45.000 Einwohnern (Grimma 29.000 Einwohner) . Zum Beispiel setzte die Stadt Hof zur Belebung der Innenstadt auf die Vorstellung der Geschäfte in den sozialen Medien. „Und das mit Erfolg. Wie aus Hof zu erfahren war, sind die Einzelhändler sehr dankbar darüber, dass sie unterstützt werden“, so Sebastian Bachran von der Stadtverwaltung. „Es handelt sich um klassische Standort- und Wirtschaftsförderung, indem man den Branchenmix der Kommune vorstellt. Wenn ein Laden schließt, dann wird geschimpft, warum man die Einzelhändler nicht unterstützt“, fügt Frank Schütz hinzu. „Daher ist man mit der Kampagne ‚Lokalpatriot Grimma – Fahr nicht fort, kauf vor Ort‘ aktiv geworden“. Wie eingangs erwähnt: Generell ist an der Kampagne auch nichts falsch. Im Gegenteil: Sie ist generell zu unterstützen und zu loben. Auch wir als Medienportal Grimma wollen nur das Beste für unsere Stadt. Allerdings: sauber, fair und transparent sollte es zugehen. Sowohl hinter den Kulissen als auch in der öffentlichen Kommunikation mit- und übereinander.