Mutzschen. Das Kunstprojekt „Straßengalerie Mutzschen“ des Künstlergutes Prösitz an der Via Regia ist in die dritte Runde gegangen.
In diesem Jahr legte die Bildhauerin Ute Hartwig-Schulz ein besonderes Augenmerk auf das Eckhaus am Markt, dessen Bedeutung für Mutzschen einmal sehr groß war und das nun dem Verfall preisgegeben ist.
Ute Hartwig-Schulz hatte sich intensiv mit der Häusergeschichte der ehemaligen Stadt Mutzschen auseinandergesetzt und fand erstaunliches heraus und erklärt den Hintergrund für die Standortwahl des diesjährigen Kunstprojekte an der Via Regia.. „Das heute leerstehende sogenannte Wapplerhaus ist eines der ältesten Gebäude in Mutzschen und steht im Ortszentrum zwischen Markt und Schloss. Es ist seine lange Geschichte noch zu erforschen. Wozu diente es und warum dieser Name? Vielleicht deshalb, weil ein einstiger Besitzer so hieß? Der Name selbst ist im österreichischen ein umgangssprachliches Schimpfwort. Als Wappler bezeichnet man einen ungeschickten, unfähigen oder begrenzten Menschen. Auch gibt es historische Zeugnisse, die darüber berichten, dass in dem Haus im Mittelalter Bier gebraut wurde und deshalb die Mönche des nahe gelegenen Klosters häufig zu Gast waren. Dann wohnte bald der Amtsschösser hier. Dessen Aufgabe war das Eintreiben des Schosses – also der Steuer. Die heute vergessene Berufsbezeichnung findet man in historischen Berichten oder zum Beispiel auch im Text der Bauernkantate von Johann Sebastian Bach.
Ganz unmittelbar begegnen die Schüler und Schülerinnen bei ihrem Malprojekt so verschiedentlich neuem Wissenswertem aus der Vergangenheit. Dies künstlerisch produktiv zu machen, soll ihre Antwort auf den aktuellen Verfall des Wapplerhauses zeigen. Sie werden so befähigt, auch über die Gegenwart, Verluste und Chancen nachzudenken. Indem sie künstlerisch gestalten, finden die Gedanken einen öffentlichen Ausdruck und sollen die ganze Gemeinde anregen, mitzudenken und sich den Ansichten der Kinder zu stellen.
Unter Leitung der Leipziger Künstlerin Britta Schulze und dem aus Syrien stammenden Ibrahim Al Shoeb, der an der Braunschweiger TU Architektur studiert, durften insgesamt 12 Kinder des Hortes der Grundschule Mutzschen ihre Ortschaft mit Zeichnungen und Graffitis fit für die Zukunft machen.
Das Projekt das aus Mitteln des Bundesministeriums für Wissenschaft und Kultur gefördert wird, hat dabei einen tieferen Sinn. Die Kinder sollen lernen gemeinsam etwas zu erreichen und die Ansichten anderer zu akzeptieren. Besonders waren die Kinder von dem Künstler Ibrahim Al Shoeb beeindruckt. Er floh vor zwei Jahren in die Türkei und konnte dann 2016 nach Leipzig einreisen. In nur einem Jahr erlernte er die deutsche Sprache perfekt und konnte nach einem Bundeslandwechsel umgehend ein Architekturstudium in Braunschweig anfangen. Zurück in Leipzig traf er auf Britta Schulze, die ihn einlud, sich in das Mutzschener Projekt mit einzubringen.
In der einen Woche musste der Syrer viele Fragen zu seiner Herkunft beantworten und verstand es, seine Geschichte kindgerecht zu vermitteln. In Sachen Kunst haben die beiden Künstler Großes mit den Kindern geschaffen. Ob Bilder, Plakate oder ganze Sperrholzplatten, alles wurde bis Freitag von den Kindern mit ihren Ideen, wie sie sich ihre Stadt vorstellen, bemalt und am Samstag Vormittag von ihnen selbst, den Künstlern, Ute Hartwig-Schulz und helfenden Elternteilen in die Fenster eingebaut.
Die Bilder sind fast ein Weckruf an die Erwachsenenwelt, die heute noch die Geschicke der Stadt lenkt. Die Kinder hatten bei der Erstellung der Motive ganz klare Vorstellungen, was sie sich für die Zukunft in Mutzschen wünschen. Manche Wünsche sind ganz banal, wie Freundschaft und Frieden, andere wie zum Beispiel ein Schwimmbad, eine Shoppingmeile oder eine Straßenbahn dürften wohl bis zur Erfüllung etwas länger dauern.
Da das Projekt auch in diesem Jahr auf ein großes Interesse bei den Kindern, Lehrern und Erziehern gestoßen ist, laufen schon jetzt Überlegungen, das Projekt auch im kommenden Jahr wenigstens einmal zu wiederholen. Die Kinder haben auf jeden Fall einen unendlichen Ideenpool, wie sie ihren Ort gestalten würden.
Fotos: Detlef Rohde