10 Jahre Heimatverein Nerchau – Die Geschichte des Nerchauer Heimathauses

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Foto: Heimatverein Nerchau

Nerchau. Das Heimathaus in Nerchau blickt auf eine über 150jährige Geschichte zurück. Es ist gemeinsam mit dem Gerätehaus der Freiwilligen Feuerwehr der übrig gebliebene Teil an Bausubstanz des Pferdnergut von Johann Friedrich Gottlob Wötzel.

Das Wötzoldsche Kleinpferdnergut

Erbaut wurde das Haus 1858 als Wohngebäude des Wötzoldschen Kleinpferdnergutes an der sogenannten Kirchgasse, wie die Bahnhofstraße (heute Parkstraße) vor dem Bau der Muldentalbahn bezeichnet wurde. Die Grundmauern sind aus Bruchstein des hier vorkommenden Porphyrs errichtet, das Mauerwerk aus gebrannten Lehmziegeln und ungebrannten Ziegeln aus Wötzels eigener Ziegelei, ehemals an der Kirchstraße, früher Schmorditzer Weg genannt. Die Ziegelei ging Anfang 1865 in den Besitz des Ratsmannes Gustav Schmidt über. Das Gebäude diente aber nur zwei Jahre als Bauernwohnhaus, denn krankheitshalber verkaufte Johann Friedrich Gottlob Wötzel 1860/61 fasst sein gesamtes Acker- und Wiesenland. Im Grundbuch werden dafür 22 Käufer genannt. Nach den Landabtretungen wurde die Scheune, die parallel zum Wohnhaus stand, abgebrochen und das Balkenwerk verkauft.

Das im Jahre 1747 errichtete Seitengebäude, welches parallel zum Prengelschen Grundstück (später Thalemann, zuletzt Teubert) stand, wurde 1908 abgebrochen, um den Platz für das städtische Gerätehaus der Feuerwehr zu räumen. Scheune und Seitengebäude waren Fachwerkbauten. Der Wötzoldsche Gutshof zeigte wie fast alle Erbhöfe unserer Dörfer den Grundriss des fränkischen Bauernhofes. Mit der Front stand es nach der früheren Schulstraße (jetzt Beamtenschulstraße), die erst beim Schulneubau 1886 aus der Verbreiterung des etwa 3 Meter breiten Zugangsweges zum „Hain“ (Wiesental) entstand.

Die Wiese zum „Hain“ gehörte zum Samuel Lindnerschen Pferdnergut. Vor seiner Ausmündung in den „Hain“ war der Zufahrtsweg mit einem Falltor zwischen Wötzolds Scheune und Böttcher Hessel Gartenhecke gesperrt. Johann Friedrich Gottlob Wötzold erwarb 1839 das Bürgerrecht der Stadt Nerchau. Er war von 1854 – 1859 Gemeinderatsmitglied. Er verstarb 1873 und hinterließ außer der Witwe sechs Söhne (einer war noch unmündig) und eine Tochter. Nicht eines seiner Kinder ist dem Bauernstande erhalten geblieben. August Wötzold betrieb eine Zeit lang im väterlichen Seitengebäude das Seilerhandwerk – später in Otterwisch. Franz Wötzold hatte sich im Wohngebäude ein Konfektionsgeschäft eingerichtet. Theodor Wötzold war Kaufmann und Schankwirt in der Grimmaischen Straße (später Gasthaus „Gute Quelle“).

Ehregott Wötzold war Seidenweber und Maximilian Wötzold Unteroffizier. 1884 verkaufte die Witwe das Restgut an die Stadt Nerchau. Das Seitengebäude war bis zum Abriss 1908 vermietet. Das Wohngebäude wurde nach und nach für die Verwaltung der Stadt benötigt. Im Erdgeschoß befand sich die Postanstalt, welche 1888 in das Taubertsche Bäckereigrundstück (Markt12) verlegt wurde.

Nachdem Franz Wötzold im Erdgeschoß sein Konfektionsgeschäft aufgegeben hatte, betrieb Buchbindermeister Julius Böhm (aus Jöhstadt/Ergeb.) in diesen Räumen sein Ladengeschäft und Handwerk. Die Ladentür befand sich im Ostgiebel des Gebäudes. Im Gebäude praktizierte auch Oberstabsarzt Dr. Kopseel und sein Nachfolger Dr. Bloedorn. Dr. Kopseel bewohnte das Obergeschoß. Er pflanze vor dem Haus die vier Linden, da er ein großer Naturliebhaber war. Dr. Kopseel unterwies auch die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr im Sanitätsdienst. Er starb 1886 und die Kameraden der Feuerwehr hielten bei ihm die Ehrenwache.

Dr. Bloedorn sein Nachfolger- später Sanitätsrat- hatte sein Sprechzimmer im Erdgeschoß. Später dienten diese Räume als Polizeiwache.

Das Verwaltungsgebäude

Am 1. September 1890 nahm Emil Kaulisch als erster berufsmäßiger Bürgermeister in Nerchau seinen Dienst auf. (Nerchau hatte damals 1649 Einwohner). Das ehemalige Bauernwohnhaus wurde Verwaltungsgebäude. Im Obergeschoß erhielt der Bürgermeister eine Amtswohnung, nach ihm dort der Polizeiwachtmeister Möbius.

Am 1.Mai 1891 wird im Stadthaus die Nerchauer Sparkasse eröffnet. Die Leitung hat der seit 1890 in Nerchau tätige Stadtkassierer Konrad Leicht, Kaulisch’s Nachfolger im Bürgermeisteramt. 1930 erhielt die Sparkasse dann ihr eigenes Gebäude, projektiert von Dr. Hugo Koch. Schon einige Jahre vor Beginn des 1. Weltkrieges mußte die Ortskrankenkasse, welche ebenfalls im Stadthaus saß, wegen Raumnot ihren Sitz verlegen.

Bis Ostern 1932 diente das Stadthaus der ehemaligen Beamtenschule als Übungsstätte für den praktischen Unterricht in Verwaltungsarbeit. In den „Nachrichten für Nerchau,..“vom 19.8.1939 kann man lesen, daß die Erneuerungsarbeiten am Rathaus kurz vor dem Abschluß stehen. -Zitat  aus dem Artikel: „Durch geschickte Veränderungen, besonders an der Vorderfront, hat das Haus nunmehr zweifellos den Charakter eines öffentlichen Gebäudes.

Es wurde bedacht, Altes zu erhalten – vorhandene Fenstersohlbänke und Türgewände aus Sandstein wurden lediglich überarbeitet. Das Haus erhielt einen hellen Putz, von dem sich die olivgrün gehaltenen Fenster geschmackvoll abheben. Der Haupteingang erhält eine schwere Eichentür und beidseitig angebrachte Lampen. Über der Tür wird die Inschrift „Rathaus“ angebracht. Wirkungsvollen Abschluß zur Bahnhofstraße bildet die aus Bruchstein gesetzte Begrüßungsmauer, die durch einen 2 Meter breiten Aufgang unterbrochen wird.“

Bis April 2003 wird das Gebäude die Stadtverwaltung von Nerchau beherbergen und als Amtssitz des Bürgermeisters dienen. Im April 2003 zieht die gesamte Stadtverwaltung dann in das neu erbaute Bürgerzentrum von Nerchau, an der Hauptstraße gelegen, ein.

Für den im November 2002 gegründeten Heimatverein Nerchau e.V. gibt es nun endlich ein Gebäude, in dem wieder eine Heimatsstube- heimatkundliche Sammlung- untergebracht werden kann. So können all die Gegenstände, Bilder, Dokumente u.a. die bis dahin bei Privatpersonen gelagert wurde, endlich wieder ausgestellt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Das Heimathaus öffnet  für Besucher zu bestimmten Höhepunkten( z.B. Lindenfest, Tag des offenen Denkmals, Adventsauftakt) oder auf Anfrage. Es können sich außerhalb der Veranstaltungen gern Gruppen, Schulklassen oder interessierte Bürger mit dem Heimatverein in Verbindung setzen, um die Sammlung zu besichtigen. So erreichen Sie den Heimatverein: Elke Weniger, Vorsitzende, Tel. 034382/4182 E-Mail: wenigere@gmail.com