Grimma. Hochwasserschutz, Gewerbegebiet und Breitband: Für zahlreiche Projekte rückt die Realisierung bzw. die Fertigstellung immer näher, andere stellen Grimma weiterhin vor Herausforderungen. Im Jahresinterview nimmt Oberbürgermeister Matthias Berger Stellung.

Herr Berger, wie bewerten Sie rückblickend das Jahr 2017 in Bezug auf Grimma?
Gemessen an den Investitionen, immerhin flossen ca. 8 Mio. Euro allein in die soziale Infrastruktur, sind wir ganz zufrieden. Insbesondere die Fertigstellung des großen Bauabschnittes des St. Augustin am Seume-Standort mit neuen Klassenzimmern, Speiseräumen und Werkraum ist ein großer Schritt nach vorn. Auch die Fassadensanierung am Kindergarten „Sonnenschein“ in Grimma-Süd konnte endlich abgeschlossen werden. Und das sind nur die größeren Maßnahmen. Auch die ersten konkreten Baumaßnahmen am Schloss Mutzschen, durch die neue Eigentümerin, sind sicher positiv zu bewerten. Dass die Hochwasserschutzanlage große Fortschritte machte, war natürlich wesentlich. Strategisch gedacht war es wichtig, den Weg frei zu machen, für das neue Gewerbegebiet an der Autobahn, den REWE-Markt und den Aldi-Neubau in der Altstadt.

Was lief 2017 nicht so zufriedenstellend?
Ein Thema, welches uns nach wie vor Sorgen bereitet, ist der Obere Bahnhof sowie der noch immer nicht vorhandene S-Bahn-Anschluss. Nach dem Erwerb des Bahnhofsareals durch die Stadt Grimma müssen jetzt strukturelle Veränderungen her. Der Verkehrszweckverband hat eine Lösung für den Bahnsteig 1 für 2018 in Aussicht gestellt. Auch der bauliche Zustand des Nicolaiplatzes brennt uns unter den Nägeln. Hier wurden bisher die Fördermittel verwehrt, wir sind aber dran.

Was wird 2018 ganz oben auf dem Hausaufgabenzettel der Stadt stehen?
Zum Ersatzneubau der Oberschule Böhlen hatten wir uns zum Jahresende eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes erhofft. Wir brauchen zeitnah die gerichtliche Entscheidung, damit wir bauen oder den Bebauungsplan eben noch einmal überarbeiten können. Die Eigenmittel von fünf Millionen sind im Haushalt gebunden und jeder Tag, der vergeht, kostet uns Geld. Auch der Abbruch der Papierfabrik Golzern steht immer noch im Fokus. Nach wie vor besteht für Dorna mit einem aktuellen HQ-50- Schutz eine akute Hochwassergefahr, wenn die Mulde nur geringfügig über den Damm läuft. Ein weiteres großes Thema bleibt die Breitbandversorgung. Wenn es hier nicht zeitnah gelingt, den ländlichen Raum besser anzubinden, wird das erhebliche wirtschaftliche und infrastrukturelle Nachteile mit sich bringen. Positiv ist zu diesem Thema jedoch zu bewerten, dass es in den letzten Monaten durch Druck aus Wirtschaft und Kommunen gelungen ist, Bund und Land, welche sich von der Telekom jahrelang für dumm verkaufen ließen, von der Dringlichkeit der Thematik zu überzeugen und klar zu machen, dass nur Glasfaser das einzig Wahre ist und das der neue sächsische Ministerpräsident eine 100%ige Förderung in Aussicht gestellt hat. Hier muss und wird es eine Lösung geben.

Was sind 2018 die größten Investitionen der Stadtverwaltung?
Wenn auch nicht von der Stadt finanziert, ist sicher die Fertigstellung der Hochwasserschutzanlage die größte und wichtigste Investition. Des Weiteren werden wir mit dem Kindergarten in Großbardau, immerhin 2,2 Mio. Euro und der Roggenmühle mit 3,4 Mio. Euro, beginnen. Daneben laufen noch eine Vielzahl von kleineren Investitionen. Ich bin sogar optimistisch, dass es gelingt noch einige Dinge mehr anzuschieben. Besonders freut mich auch, dass wir dieses Jahr eine neue Drehleiter für unsere Feuerwehr anschaffen können. Allein diese kostet ca. 750.000 Euro. Bei dieser Gelegenheit vielen Dank nochmal an alle Kameradinnen und Kameraden für die geleistete Arbeit in 2017. Insbesondere der Sturm „Herwart“ hat uns alle gemeinsam sehr gefordert.

Ist es eigentlich schwierig, ein angemessenes Verhältnis zwischen Stadt und ländlichem Raum hinsichtlich der Investitionen zu pflegen?
Natürlich wird es immer Diskussionen geben, ob alle Ortsteile gleichmäßig an den Investitionen beteiligt werden. Hier eine zufriedenstellende Lösung zu finden, ist nahezu unmöglich. Ich denke aber, dass die meisten großen Maßnahmen wie unser Gymnasium oder die Drehleiter Dinge sind, die allen Grimmaern unabhängig vom konkreten Wohnort zugutekommen. Zu beachten ist auch, dass jeder Ortsteil von Grimma seine Eigenheiten hat, dies sowohl im Positiven als auch im Negativen. Ich denke, dass die Zufriedenheit in den einzelnen Ortsteilen weniger eine Frage der Investitionen sondern eher des Miteinander ist. Hierzu gibt es viele positive Beispiele wie Fremdiswalde, welche 2017 sogar Landkreispreisträger beim Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ wurden oder Zschoppach, Großbothen, Schaddel, Großbardau, Kleinbardau, Beiersdorf, Leipnitz, Döben, Dorna, Dürrweitzschen, Böhlen in denen nicht nur gut gefeiert, sondern auch viel geschaffen wurde. Wir als Stadtverwaltung können immer nur die grundsätzlichen infrastrukturellen Voraussetzungen schaffen. Letztendlich steuern die Mitbürger den Zusammenhalt direkt vor Ort. In diesem Zusammenhang freut es mich besonders, dass selbst in Mutzschen, welches aufgrund objektiver Bedingungen sicher keine einfachen Startbedingungen hatte, mit den ersten baulichen Impulsen am Schloss, als auch mit der Initiative vom Ortsvorsteher Carsten Graf und seinem Ortschaftsrat, welche die Verantwortung für die Wiederbelebung der Großküche übernommen haben, einige Akzente gesetzt werden konnten. Dies gilt es natürlich weiter zu unterstützen. Optimistisch in Bezug auf den ländlichen Raum stimmt es mich, dass wir zur Zeit ein großes Interesse von bauwilligen jungen Leuten aus Grimma aber auch durchaus aus Leipzig und der weiten Region feststellen, was wir mit städtischen Grundstücken gar nicht mehr befriedigen können. Insofern die Bitte an alle, welche über Baugrundstücke aber auch über Häuser oder Höfe insbesondere im ländlichen Raum verfügen und diese verkaufen möchten, die Gelegenheit dazu ist gut wie nie. Bitte wenden Sie sich an einen Immobilienmakler Ihres Vertrauens. Eine weitere gute Gelegenheit diese Grundstücke Interessenten anzubieten ist unsere Immobilienmesse am 28. April 2018 im Rathaus. Interessenten können sich gern an Herrn Bachran (Tel.: 03437/ 9858215, bachran. sebastian@grimma.de) wenden.

Wie steht es um die Entwicklung des neuen Gewerbegebietes an der Autobahn 14?
Das Vorhaben ist für Grimma eine große Chance. Nach einzelnen Verzögerungen die u.a. aus der Klärung der Anbindung an die A14 resultierten, sind die ersten sieben Hektar so gut wie verkauft, weitere Gespräche mit Interessenten stehen in Kürze an. Aller Voraussicht nach erfolgt im Frühjahr der erste Spatenstich. Allein durch die Ansiedlung der ersten zwei Firmen entstehen 30 bis 40 Industrie-Arbeitsplätze in Grimma. Mit etwas Glück erhoffe ich mir schon, dass auf diesem neuen Gewerbegebiet in den nächsten Jahren einige 100 neue Industrie- Arbeitsplätze entstehen werden.

Auch „Muldental in Fahrt“ bewegt derzeit die Gemüter. Wie sehen Sie die Veränderungen?
Uns erreichen hierzu täglich Anrufe von besorgten Bürgern. Ich würde das Ganze jedoch nicht gleich verdammen, sondern bitte um Geduld. Der derzeit praktizierte Paradigmenwechsel vom auf Schülern basierenden Strahlenmodell auf das Netzmodell bedeutet mehr Umstiege und wird in der Praxis gerade erprobt. Natürlich muss hier und da nachgebessert werden. Aber eine Aufwertung des ÖPNV durch neue Ideen ist langfristig nur positiv zu bewerten.

Abschließende Frage, welchen Wunsch haben Sie für das Jahr 2018?
Ich würde mir wünschen, dass endlich wieder gesunder Menschenverstand in das Handeln der politisch Verantwortlichen Einzug hält. Mit solchen Sinnlosthemen wie „Wolfsansiedlung“ und „Drittes Geschlecht“ wird es nicht dauerhaft gelingen, über die echten wichtigen Probleme wie das Nichtmehrvorhandensein von genügend Lehrern und Polizisten sowie ein kollabierendes Rentensystem hinwegzutäuschen. Ich glaube, wir stehen vor grundsätzlichen Veränderungen und diese müssen beherzt angefasst werden. Ebenso müssen wir als Verwaltung von solchen Selbstbeschäftigungsthemen wie Doppik befreit werden. Ich halte es für einen schlechten Witz, wenn mittlerweile „Fördermittel-Werkstätten“ angeboten werden, weil der normale Mensch nicht mehr in der Lage sein kann Fördermittelanträge auszufüllen. Nicht zuletzt aufgrund der letzten Wahlergebnisse hier in Sachsen ist seitens der Staatsregierung mehrfach beteuert worden, dass es ein „Weiter so“ nicht geben wird. Ich bin gespannt, ob den Worten auch Taten folgen. Auf Grimma bezogen würde ich mich freuen, wenn wir mit allen Ortschaftsräten, dem Stadtrat und den Vereinen weiterhin in der bisher praktizierten sachlichen und lösungsorientierten Art und Weise auch in diesem Jahr einiges für unsere Stadt auf den Weg bringen könnten. Ich persönlich würde mich auch dieses Jahr über eine zahlreiche Teilnahme am Subbotnik am 24. März freuen.