Zwei Jahre nach der zweiten Flut und 14 Jahre Amtszeit. Interview mit Matthias Berger

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Grimma. Die Wiederkehr eines Hochwassers nach nur 11 Jahren war für Grimma ein harter Schlag. Heute, zwei Jahre nach dem sogenannten Jahrhunderthochwasser hat sich viel getan in der Perle des Muldentals. Wir haben mit Oberbürgermeister Matthias Berger über die Bewältigung der Katastrophe und über die Entwicklung seiner Stadt in 14 Jahren Amtszeit gesprochen.

Die Wiederkehr eines Hochwassers nach nur 11 Jahren war für Ihre Stadt ein harter Schlag. Hat sich Grimma wieder  erholt?
Matthias Berger: „Die Schäden 2013 waren bei weitem nicht so wie 2002 und lagen bei insgesamt ca. 170 Mio. Euro. Trotzdem war es für alle Betroffenen, welche ja noch teilweise im Wiederaufbau von 2002 waren, wirtschaftlich fast tödlich. Man kann nur vor all jenen den Hut ziehen, die trotzdem weitergemacht haben. Das Besondere 2013 war, dass die Katastrophenbewältigung sich etwa drei Wochen hinzog, weil nach dem Hochwasser die Mülldeponie brannte und zudem drei Wochen später durch Starkregenereignisse unser ländlicher Raum im Bereich Mutzschen und dem ehemaligen Thümmlitzwalde nicht unerheblich geschädigt wurde. Insgesamt eine unglaubliche Leistung der Feuerwehrkameraden, dies alles bewältigt zu haben. Ich glaube, das war der längste Feuerwehreinsatz unserer Geschichte.
Sie haben damals das gemeinsame Ziel ausgerufen, nach zwei Jahren
Grimma wieder aufgebaut zu haben. Ist das gelungen?
„Natürlich ging es damals darum, den Leuten einfach Mut zu machen, ohne selbst zu wissen, wie es weitergeht. Aber in der großen Hoffnung, dass uns 2013 genauso geholfen wird wie 2002, war es richtig, dieses Ziel einfach auszurufen. Und ich denke, es hat auch geklappt. Die einzige Verspätung, wenn auch bloß um knapp 14 Tage, wird es bei der Hängebrücke geben. Alles andere ist schöner hergestellt als vor der Flut. Ich denke, wir sollten alle gemeinsam stolz und dankbar sein, dass wir auch diese Katastrophe bewältigt haben.“In Ihrer 14-jährigen Amtszeit hat Grimma die zwei schwersten Naturkatastrophen in seiner mehr als 800-jährigen Geschichte erlebt. Hat Sie das als Mensch geprägt?
„Sicher. Bei der Flut 2002 war ich gerade ein Jahr Bürgermeister. 2013 konnte ich dann schon auf die Fluterfahrung der ersten Flut zurückgreifen. Die Katastrophenbewältigung an sich war für uns alle sicher eine extreme Herausforderung, aber gleichzeitig eine riesige Chance, frei von bürokratischen Zwängen einige Dinge auf den Weg zu bringen. Zum Beispiel die vielen Radwege, die wir jetzt in Grimma haben, wären ohne die Fluten nie möglich gewesen.“
Nervt Sie das eigentlich, immer als der „Flutbürgermeister von Grimma“ bezeichnet zu werden?
„Sowohl als auch. Einerseits freut es mich, dass Grimma überall als die Stadt bekannt ist, die sich nicht unterkriegen lässt. Andererseits haben wir viele andere Dinge in den letzten Jahren geschaffen, die im Verhältnis zu den Fluten immer etwas untergehen.
Zum Beispiel?
„Als ich am 01.08.2001 Bürgermeister wurde, hatten wir eine Pro-Kopf-Verschuldung von ca. 900,00 Euro, ein Gewerbesteueraufkommen von 1,4 Millionen Euro und eine Haushaltssperre, weil Grimma quasi seine Rechnungen nicht mehr bezahlen konnte. Aktuell haben wir eine Pro-Kopf-Verschuldung von nur noch 560,00 Euro und ein Gewerbesteueraufkommen von rund 8,7 Millionen. Euro. Insgesamt haben wir allein 150 Millionen Euro in die kommunale Infrastruktur investieren können. Soweit die nackten Zahlen, die Bewertung überlasse ich anderen.“Was sind für Sie die herausragenden politischen Ereignisse, auf die Sie
stolz sind?
„Dass es durch die Eingemeindungen gelungen ist, im Bereich der Grundschulen,
Oberschulen und Kindergärten eine für die Zukunft tragende Struktur zu schaffen. Auch die Gründung der Stadtwerke, welche demnächst beginnen werden, an unsere Bürger Strom zu verkaufen, halte ich für sehr wichtig.“
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten für Ihre Stadt …?
„Dürfen es auch zwei Wünsche sein? Dass wir nie wieder Hochwasser bekommen und dass diese Bürokratie und Gesetzesschwemme, die uns alle lähmt, irgendwie aufgehalten wird. Und noch ein Tipp: Am kommenden Freitag, den 5. Juni, machen wir eine öffentliche Führung entlang der Hochwasserschutzmauer. Treffpunkt ist 17 Uhr am Parkplatz Floßplatz nahe Hängebrücke.
Interview: Sören Müller