Sachsen. Die Trockenheit der vergangenen Jahre wirkte auch im Jahr 2023 in Sachsen nach.
Die niederschlagsreichen Monate Oktober bis Dezember haben eine Entlastung, aber keine nachhaltige Entspannung im Wasserhaushalt gebracht. Das ist ein Fazit, das das Sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) und der Deutsche Wetterdienst (DWD) beim 12. Jahres-Pressegespräch »Wetter trifft auf Klima« in Dresden gezogen haben.
Im Vergleich zur Klimareferenzperiode 1961 – 1990 wurde das Jahr 2023 mit +2,3 Grad als »extrem zu warm« eingestuft und war gleichzeitig das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen (1881) in Sachsen. Mit Ausnahme des Jahres 2021 liegen somit die fünf wärmsten Jahre in den letzten sechs Jahren. Der Jahresniederschlag war im Vergleich zur Klimareferenzperiode 13 Prozent höher, die Anzahl der Sonnenstunden stieg um 10 Prozent an. Mit Ausnahme des Aprils waren alle Monate wärmer und bewegten sich insgesamt auf einem sehr hohen Temperaturniveau. Besonders auffällig waren die Monate September bis Dezember. Der September wartete mit Superlativen auf: mit +4 Grad war der Monat »extrem zu warm«, mit einem Defizit von 69 Prozent »extrem zu niederschlagsarm« und einem Plus an Sonnenstunden von 72 Prozent »extrem zu sonnenreich«. Darauf folgten die sehr niederschlagsreichen Monate Oktober (+107 Prozent), November (+71 Prozent) und Dezember (+78 Prozent) bei einem gleichbleibend sehr hohen Temperaturniveau und Defiziten im Saldo der Sonnenstunden.
Die Klimatische Wasserbilanz in Sachsen (= potentielles Wasserdargebot aus Niederschlag minus Verdunstung) weist mit +270 Litern pro Quadratmeter im Jahr 2023 einen Überschuss von 20 Litern pro Quadratmeter im Vergleich zur Klimareferenzperiode aus. Der Überschuss resultiert insbesondere aus den sehr niederschlagsreichen Monaten Oktober bis Dezember bei einer deutlich erhöhten potentiellen Verdunstung, die durch die sehr hohen Niveaus für die Temperatur und die Sonnenstunden (Globalstrahlung) maßgebend angetrieben ist. Ohne diese Niederschläge würde die Bilanz ganz anders aussehen, da bis Ende September ein Niederschlagsdefizit bestand.
Aus atmosphärischer Sicht wird es für die Zukunft maßgebend sein, wie viel Niederschlag im Winter fällt und wie weit sich der Vegetationsbeginn und damit auch die Verdunstung der Pflanzen nach vorn verschieben wird. Die Winterniederschläge sind notwendig, um die Wasserspeicher im oberen Boden zu füllen, damit diese für die Vegetationsperiode ausreichen. Offen ist, ob für eine wesentlich früher einsetzende pflanzenaktive Phase das Bodenwasser zum Ausgang des Sommers für die notwendige Versorgung ausreichend sein wird.
Aus bodenhydrologischer Sicht ist die Winterperiode 2022/2023 als übermäßig feucht einzuordnen, während die Vegetationsperiode 2023 erneut durch einen überdurch-schnittlichen Verdunstungsanspruch bei monatlich stark schwankenden Nieder-schlagsdargeboten gekennzeichnet war. Unter Lehm- und Sandböden waren die beo-bachteten Sickerwassermengen durchschnittlich. Unter den schweren Lößböden wurde in den vergangenen Jahren teilweise eine anhaltende, mehrjährige Sickerwasserlosigkeit beobachtet, was als außergewöhnlich einzuordnen ist. Das in den vergangenen Jahren entstandene Bodenwasserspeicherdefizit in schweren Lößböden hat mittlerweile ein Niveau erreicht, bei dem auch ein überdurchschnittlich nasser Winter nicht zu einer vollständigen Auffüllung ausreicht.
2023 herrschte erneut eine flächendeckende Grundwasserdürre in Sachsen, mit Tiefstständen im September und Oktober 2023. Im Tiefland besteht die Grundwasserdürre regional bereits seit 2014. Generell kann im Zeitraum 2014 bis 2023 von einem neuen meteorologisch-hydrologischen Regimeverhalten gesprochen werden. Hintergrund ist der unternormale Niederschlag dieser Periode bei einem weiter steigenden Verdunstungsanspruch in der Atmosphäre. Die überdurchschnittlich hohen Niederschläge von Oktober bis Dezember 2023 führen aktuell zu einer frühen und rasanten Wiederauffüllung im Grundwasser. Wie nachhaltig das sein wird, hängt vom weiteren Witterungsverlauf ab.
Wie in den Kalenderjahren 2018 bis 2020 und 2022 lagen die Wasserstände und Durchflüsse in den sächsischen Flüssen und Bächen 2023 flächendeckend deutlich unter dem vieljährigen Durchschnitt. Von Mai bis Oktober stellte sich erneut, in unterschiedlicher Intensität und Verbreitung, eine Niedrigwassersituation in Sachsen ein, die sich erst in den Monaten November und Dezember aufgelöst hat. Ohne eine nachhaltige Erholung des Grundwassers kann es bei längeren Trockenphasen auch in diesem Jahr wieder zur Ausbildung von ausgeprägten Niedrigwasserphasen kommen.
In der letzten Dezemberdekade 2023 war Sachsen von einem flächendeckenden Hochwasser betroffen, bei dem die Wasserstände teilweise bis in den Bereich der zweithöchsten Alarmstufe 3 anstiegen. In der Elbe hielt das Hochwasser bis in den Januar 2024 hinein an. Durch den gezielten Rückhalt von Wasser konnte die Hochwasserlage unterhalb von Stauanlagen vielerorts entschärft beziehungsweise gemildert werden.
Obwohl die Bewirtschaftung der sächsischen Talsperren 2023 erneut durch unter-durchschnittliche Zuflüsse geprägt war, sind die niedrigen Füllstände der Trockenjahre 2018 bis 2020 bei weitem nicht wieder erreicht worden. Rund 40 Prozent der Sachsen erhalten ihr Trinkwasser aus aufbereitetem Talsperrenwasser. Dadurch konnte die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser in den vergangenen Trockenjahren stets gewährleistet werden.
Für die Ackerkulturen waren die Wasservorräte der landwirtschaftlich genutzten Böden weitgehend ausreichend. Obwohl sich die Vegetationsperiode von 2022 auf 2023 eher trocken zeigte, konnten viele Kulturen einen durchschnittlichen Ertrag zum zehnjährigen Mittel erreichen. Hauptsächlich die Getreidearten profitierten von den Wetterbedingungen. So lag der Winterweizen mit 78,3 Dezitonnen pro Hektar knapp +5 Prozent, die Wintergerste mit 81,1 Dezitonnen pro Hektar zirka +12 Prozent und der Körnermais mit 86 Dezitonnen pro Hektar etwa +4 Prozent über dem zehnjährigen Mittel. Bei Winterraps und bei Kartoffeln führten die Bedingungen zu geringeren Erträgen als der Durchschnitt der letzten zehn Jahre. Der mit dem Erntebeginn Mitte Juli einsetzende langanhaltende Regen mit nur kurzen regionalen Unterbrechungen hatte insbesondere bei Getreide und Raps einen negativen Einfluss auf die Qualität des Erntegutes.
Für viele Gartenbaukulturen, inklusive des Weins, war die Witterung 2023 günstig. Auf-grund der stetig steigenden Durchschnittstemperaturen ist im Obstbau seit 30 Jahren ein immer früherer Beginn der Apfelblüte zu beobachten. Im Jahr 2023 fiel der Blühbeginn nach dem kühlen, teils nassen März auf den 26. April und lag damit etwas später als im langjährigen Trend. Dadurch traten auch keine Schäden durch Spätfröste auf. Auch die Aussaat vieler Gemüsekulturen, wie Erbsen und Zwiebeln, verzögerte sich durch das eher kühle und feuchte Frühjahr. Vereinzelte Unwetter mit Hagel und Starkregen führten, lokal stark begrenzt, wie zum Beispiel in Dresden-Pillnitz, zu Totalausfällen im Obstbau und zu Ertrags- und Qualitätseinbußen im Gemüsebau.
Der Wald hat ein langes Gedächtnis. Trockenheit, Stürme und biotische Schaderreger, insbesondere wärmeliebende holz- und rindenbrütende Käferarten, wie die Borkenkäfer, speziell der Buchdrucker an Fichten, beeinflusst weiterhin entscheidend die Wald-entwicklung. Rückgängige Mengen an befallenem Holz dürfen nicht darüber hinweg-täuschen, dass die Massenvermehrung dieses Käfers auch nach sechs Jahren weiter anhält. Neue Schwerpunkte des Befalls im Westerzgebirge und Vogtland müssen als erhebliches Risiko einer nicht mehr kontrollierbaren Ausbreitung der Massenvermehrung in den Fichtenbeständen des Erzgebirges bewertet werden. Zudem indiziert der Belaubungs- und Benadelungszustand von Baumarten mit einem relevanten Anteil an der Waldfläche Sachsens nach wie vor deren kritischen Vitalitätsstatus. Eine waldökologisch bedeutende Regeneration ist trotz des für das Baumwachstum günstigen Witterungsverlaufes nicht erfolgt.
Der Klimawandel hat auch Konsequenzen für Tier- und Pflanzenarten sowie mögli-cherweise mittelbar auch für die Funktionsfähigkeit ganzer Ökosysteme. Derartige biologische Effekte lassen sich besonders gut an den drei Kenngrößen Phänologie, Verbreitung und Häufigkeit von Arten ablesen, die sich bereits seit einiger Zeit sicht- und messbar verändern. Derlei Veränderungen finden meist über längere Zeiträume statt und sind daher weniger Resultat der Witterung eines einzelnen Jahres. Dennoch ist davon auszugehen, dass sie sich im besonders warmen und dem phasenweise sehr trockenen Jahr 2023 weiter fortgesetzt haben. Bei zahlreichen Arten ist eine Veränderung der Phänologie, wiederkehrende Abläufe im Rhythmus der Jahreszeiten, festzustellen. Dazu gehören ein früherer Blühbeginn, der zeitigere Blattaustrieb und eine eher einsetzende Fruchtreife bei Pflanzen. Auch bei manchen Vogelarten lassen sich bereits eine zeitigere Rückkehr aus den Winterquartieren, ein früherer Brutbeginn und verlängerte Brutperioden beobachten. So kehren heute beispielsweise die Mönchsgrasmücke oder die Mehlschwalbe im sächsischen Vogtland deutlich früher zurück als noch vor wenigen Jahrzehnten.
Arten und Lebensräume kühler sowie feuchter bis nasser Standorte sind durch Klima-veränderungen besonders gefährdet. Starke Bestandsrückgänge des häufig vorkom-menden Grasfroschs (Rana temporaria) innerhalb der letzten 30 Jahre sind ein deutliches Warnsignal. Besonders starke Bestandseinbrüche seit etwa 2019 müssen auch mit häufigeren und stärkeren Trockenphasen in Verbindung gebracht werden, in deren Folge die Laichgewässer austrocknen. Profiteure des Klimawandels sind manche wärmeliebenden Arten und Lebensräume trockener Standorte. Dazu gehören ursprünglich in Südeuropa verbreitete Arten, wie die Feuerlibelle (Crocothemis erythraea). Auch vom Menschen eingeführte Tier- und Pflanzenarten, sogenannte Neobiota, kommen oft gut mit den neuen Klimabedingungen zurecht und sind in der Lage, freie Nischen in gestörten Ökosystemen zu besetzen. Das ist beispielsweise bei der Spätblühenden Traubenkirsche (Prunus serotina) zu beobachten.
Die Luftqualität in Sachsen hat von der Witterung 2023 profitiert. Die milden Wintermonate und die überdurchschnittlichen Niederschläge sorgten 2023 für ein historisch geringes Niveau der Konzentrationen von Feinstaub PM10 und Stickstoffdioxid in der Außenluft. Die Ozonkonzentrationen waren 2023 eher moderat. Erstmalig wurde in Sachsen an allen Stationen auch der Zielwert zum Schutz der Vegetation eingehalten. Da zur Bewertung der Vegetationsbelastung ein fünfjähriges Mittel herangezogen wird, beeinflusst der extreme Sommer 2018 diese Beurteilung nicht mehr. Allerdings führte das warme, trockene und sonnenreiche Wetter im September noch einmal zu außergewöhnlich hohen Konzentrationen.