Grimma. In einem LVZ-Beitrag vergangene Woche forderte Grimmas Ortswehrleiter Jan Tischer eine höhere Vergütung für seine Kameraden, weil Diese „nicht mehr zeitgemäß“ wäre. Ist das wirklich so?
286 Einsätze hatten die Grimmaer Kameraden (Freiwillige Feuerwehr) den eigenen Angaben nach im Jahr 2021 (Vorjahr 265) absolviert. Grimmas Hauptfeuerwache sei damit am Limit, resümierte Tischer, der beruflich in der Werkfeuerwehr von Wacker Chemie AG bei Riesa tätig ist und seit gut einem Jahr die Freiwillige Feuerwehr Grimma führt. Seiner Ansicht nach sei die Aufwandsentschädigung für seine insgesamt 75 Kameraden nicht mehr zeitgemäß und müsse erhöht werden, da die Aufgaben vielfältiger und Belastung größer geworden sei.
Reaktionen aus anderen Ortsfeuerwehren
Diese Forderung sei in Angesicht der aktuellen Coronalage und der damit ohnehin schon knappen Kassen für viele Ortswehrleiter und Kameraden anderer Grimmaer Ortswehren, die mit uns über das Thema sprachen, „überzogen„, „realitätsfern“ oder zumindest zum jetzigen Zeitpunkt „völlig deplatziert„. Demzufolge sei der Ausrüstungsstand in der Grimmaer Wache und den 14 Ortswehren im Vergleich zu anderen Kommunen auf sehr hohem Niveau. Die Kameraden könnten sich demnach finanziell „überhaupt nicht beschweren, besonders dann wenn man die Entlastung der eigenen Wehr durch andere Ortswehren mitunter ablehnt“. Daher sei die Forderung des Grimmaer Ortswehrleiter auch nicht auf alle Ortswehren zu beziehen. Besonders kritisiert wurde auch die Art und Weise der Debatte in Form derer, dass man diese Forderung über einen Zeitungsartikel aufgemacht habe. Wie uns Marlen Sandmann, Pressesprecherin der Stadt Grimma bestätigte, habe es im Vorfeld keine Gespräche zum Thema gegeben. Doch wie ist die Stadt Grimma in puncto Aufwandsentschädigung seiner Kameraden überhaupt aufgestellt?
Entschädigungspolitik der Stadt Grimma
Die Stadt Grimma zahlt derzeit für jeden Kameraden seiner Ortswehren der zum Einsatz kommt eine Anfahrtspauschale von vier Euro pro Kamerad plus sechs Euro pro Einsatzstunde je Kamerad im Einsatz. Funktionsträger bekommen zusätzlich laut Feuerwehrsatzung eine pauschale jährliche Vergütung. Hinzu kommen jährliche Gelder zur Kameradschaftspflege (20 Euro pro Kamerad) der jeweiligen Feuerwehr zu Gute. Auch für die Jugendfeuerwehrmitlieder gibt es ein jährliches Kameradschaftsgeld. Arbeitgeber welche ihre Mitarbeiter für die Feuerwehr freistellen erhalten einen Lohnausgleich, welcher im sächsischen Brandschutzgesetz geregelt ist. Laut aktueller Feuerwehrentschädigungssatzung erhält der Grimmaer Ortswehrleiter außerdem eine Jahrespauschale von 700€ im Gegensatz zu den anderen Ortswehrleitern mit 450€. Von einer zu geringen Wertschätzung des Ehrenamts seitens der Stadt und des beschließenden Stadtrates kann also faktisch keine Rede sein, wenn man die Zahlen mit anderen Kommunen vergleicht.
Vergleich mit anderen Kommunen
Im Vergleich dazu zahlt beispielsweise die Stadt Delitzsch (350 Einsätze im Jahr 2021) ihren Kameraden eine Einsatzpauschale. „Feuerwehrleute aus Delitzsch und den Ortsteilen erhalten pro Teilnahme am Einsatz und an Diensten jeweils fünf Euro. Wehrleiter, Ortswehrleiter, Gerätewarte und Jugendwarte, sowie deren Stellvertreter, erhalten zusätzliche Aufwandsentschädigungen zwischen 15 und 175 Euro pro Monat.„, informiert Nadine Fuchs, Referatsleiterin der Stadt Delitzsch. „In erster Linie handelt es sich bei dem Engagement der Feuerwehrleute zwar um ein Ehrenamt. Jedoch sollte nicht vergessen werden, dass die Feuerwehr als Einrichtung der Stadt gilt und dass die Feuerwehrleute Aufgaben für die Stadt übernehmen, wie u. a. das Retten von Menschen und Tieren, den Schutz von Leben und Sachwerten sowie Brandverhütungsschauen. Deswegen hatte die Neufassung der Entschädigungssatzung im vergangenen Jahr sowohl in der Verwaltung als auch beim Stadtrat eine breite Unterstützung. Während der gesamten Debatte hat die Wehrleitung immer betont, dass es sich nicht um eine Vergütung handeln soll (denn diese gibt es im Ehrenamt nicht), sondern lediglich um eine Anpassung der Aufwandsentschädigung an die gestiegen Lebenshaltungskosten, bei gleichzeitig fairerer Verteilung an besonders engagierte Kameradinnen und Kameraden.“
Viele Kommunen, wie beispielsweise Naunhof (100 Einsätze) , Borna (200 Einsätze), Wurzen (100 -150 Einsätze), Zwenkau (100-150 Einsätze) oder auch Freiberg (450 Einsätze) zahlen ihren Kameraden keine „Einsatzgelder“ aus, sondern unterstützen die Kameradschaftskassen, welche wiederum allen Kameraden zu Gute kommt. Die Stadt Riesa (300 Einsätze) zahlt ihren Kameraden zwischen 25,00 € und 100,00 € pro Jahr. In Oschatz (200-250 Einsätze) sind es 12,00 € und in Markleeberg (280 Einsätze) 7,50€ pro Einsatz unabhängig von deren Dauer.
Lesermeinung aus Threna
„Respekt vor der Stadtverwaltung Grimma die sich so eine Vergütung von seitens der Wehr aufdrängen lässt.„, meint Threnas stellv. Ortswehrleiter Helmut Kupke welcher sich heute auch per Leserbrief (liegt uns ebenfalls vor) in der LVZ zum Thema äußerte. „Ich berufe mich mal auf die Zahlen aus dem besagten Artikel, 5718 Einsatzstunden, 75 Kameraden und Kameradinnen und 6,00 € Stundenlohn plus 4,00 € Anfahrtspauschale ergibt eine Gesamtvergütung von 10,00 € für die erste Stunde.
Nun die Rechnung 5718 x 10,00 € = 57180,00 € geteilt durch 75 Einsatzmitglieder. Ergibt eine Jahresdurchschnittsvergütung von 762,40 € je Einsatzkraft (Anm. d. Redaktion: Wenn man von einer Stunde pro Einsatz ausgeht und wirklich alle Kameraden am aktiven Einsatzgeschehen teilnehmen), eine stattliches Salär für einen Feuerwehrmann oder Frau welche FREIWILLIGKEIT auf ihrer Fahne stehen hat.“ rechnet Kupke vor welcher seit 49 Jahren Feuerwehrmann ist. „So betrachtet hat für mich EHRE und FREIWILLIG, einen faden Beigeschmack […]. In unsere Freiwilligen Feuerwehr gibt es eine jährliche Entschädigung, dass heißt einen Sockelbetrag plus einen Betrag je Kamerad-in in der Einsatzabteilung in die Kameradschaftskasse. Dieses Geld wird für die Kameradschaftspflege genutzt. Nun könnte jemand sagen, ohne die bezahlten Einsätze schwindet die Einsatzstärke, dass mag wohl sein aber da läuft was schief! Bezahlte Einsatzstunden fördern den Konkurrenzkampf unter den Mitgliedern der Einsatzabteilung und fördert die Ellenbogenmentalität, so ist es aber wohl nicht gedacht. Freiwillige Feuerwehr heißt miteinander und nicht Kampf um das größte Einkommen. So schön die Zuwendung für den Einzelnen ist, ich finde das aber nicht gut. Denkt mal darüber nach.„, so Kupke abschließend.
Wie sieht es der Kreisfeuerwehrverband?
Mike Köhler, Pressesprecher des Kreisfeuerwehrverbandes sieht es ähnlich: „Natürlich darf die Stadt oder Gemeinde ihren ehrenamtlichen eine Aufwandsentschädigung Zahlen. Nach Recherchen des Feuerwehrmagazins liegt die Pauschale bei 10 Euro je Einsatz im Bundesdurchschnitt. Einige Städte und Kommunen zahlen auch eine Fahrtkostenpauschale. Im Landkreis Leipzig gibt es tatsächlich nur einige wenige Städte -und Gemeinden die ihre Einsatzkräften für Einsätze „bezahlen“. Manche zahlen auch bei der Dienstbeteiligung oder für Atemschutzgeräteträger einen kleinen Beitrag um den Anreiz zu steigern. Man darf den Grundgedanken allerdings nicht vergessen: Ehrenamtlich ist eine Tätigkeit, die freiwillig und unentgeltlich ausgeübt wird, dem Gemeinwohl dient und keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt. Das die Feuerwehr im Ehrenamt immens wichtig ist, dürfte jedem klar sein. Allerdings würde unsere Gesellschaft ohne alle ehrenamtlichen nicht funktionieren, wir sprechen also von der Tafel, Obdachlosenhilfe bis hin zum THW.“ so Köhler, welcher selbst auch Stadtwehrleiter der Freiwilligen Feuerwehr Groitzsch ist.
Seiner Meinung nach wird es in der Zukunft nicht einfacher ehrenamtliches Personal für die Feuerwehren zu finden da der Wettbewerb um ehrenamtliches Engagement längst begonnen hätte, wobei die Gemeinden verpflichtet sind eine einsatzbereite Feuerwehr vorzuhalten. „Also wird es wohl oder übel in einigen Jahren den Städten- und Kommunen gar nichts anderes übrig bleiben, als das Stadtsäckel für ehrenamtliche Feuerwehrleute zu öffnen. Allerdings sollte das im Rahmen bleiben, damit der Grundgedanke wenigstens ein wenig erhalten bleibt. Andere Städte- und Gemeinden gehen den Weg der Vergünstigung bei Kommunalen Einrichtungen wie Bäder, Bibliotheken, Kino usw. Damit werden aus meiner Sicht auch Anreize für das Ehrenamt geschaffen.“
In Form der „Blaulichtcard“ erhalten die Grimmaer Kameraden bereits auch das. Übrigens, könnte sich eine Erhöhung auch in der Steuererklärung bemerkbar machen. Denn wenn die Ehrenamtspauschale von 840 € (Stand 2021, vorher 720 €) pro Jahr überschreitet wird, sind mit unter Abgaben ans Finanzamt fällig, sodass eine Erhöhung möglicherweise kontraproduktiv für die eigenen Kameraden wäre.