Leipzig. Demonstrationen legten am Samstag die Innenstadt von Leipzig lahm.
Bei der Auflรถsung der โQuerdenkenโ-Demo in Leipzig ist es am frรผhen Samstagabend zu Ausschreitungen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen.
Wรคhrend der gesamten Veranstaltung auf dem Augustusplatz hatten sich laut der Initiative โDurchgezรคhltโ etwa 45 000 โQuerdenkerโ versammelt. Ca. 90% der Teilnehmer hielten sich nicht an die Versammlungsauflagen. Desweiteren wurden eigenmรคchtige Blockadeaktionen der Straรenbahnen durchgefรผhrt.ย Nach gut zwei Stunden wurde dann die Versammlung durch die Stadt aufgelรถst, da die Versammlungsauflagen nicht eingehalten wurden.
Am Hauptbahnhof kam es danach zu Ausschreitungen nachdem eine Polizeisperre durchbrochen wurde. Einige Teilnehmer zรผndeten Bรถller und Raketen, bewarfen auch Polizisten mit Pyrotechnik, Flaschen und Steinen. Trotz Verbots zogen die โQuerdenkerโ auf dem Innenstadtring und beanspruchten die 89er-Bewegung fรผr sich. Die Journalistengewerkschaft DJU meldete noch am Abend mindestens 32 Attacken auf Reporter, die im Wesentlichen von โQuerdenkenโ-Teilnehmern ausgegangen seien sollen.
Bei den Gegendemonstrationen blieb es vorerst lange Zeit รผberwiegend friedlich. Auf dem Johannisplatz kam es allerdings zu einigen Festnahmen und verbalen Attacken nachdem es mehrere Versuche gab zu den „Querdenkern“ durch zu kommen.ย Die Versammlungsteilnehmer hielten sich weitgehend an die Versammlungsauflagen. Am Abend zogen letzte Demonstratonsteilnehmer der Gegendemo dann nach Connewitz.
In der Wolfgang- Heinze Straรe in Connewitz versammelten sich etwa 500 Personen und zรผndeteten mehrere Mรผlltonnen an, welche spรคter mit Baumaterialien noch verstรคrkt wurden. Erst nach etwa anderthalb Stunden rรผckte die Polizei mit massivem Wasserwerfereinsatz und Manpower vor um die erichteten und brennenden Barikaden zu lรถschen und zu berรคumen.
Der Leipziger Polizeiprรคsident Torsten Schultze รคuรerte sich Samstagabend mit einem Zwischenfazit zum Einsatzgeschehen in Leipzig: „Nachdem das Sรคchsische Oberverwaltungsgericht die Versammlung mit 16.000 Personen im Stadtzentrum zugelassen hatte, war unsere Aufgabe, dem Versammlungsrecht zur Geltung zu verhelfen.
Dafรผr gab es drei Ziele: 1. Die Gewรคhrleistung eines friedlichen Verlaufes aller Veranstaltungen. 2. Die Verhinderung mรถglicher Gewalttรคtigkeiten. 3. Die Durchsetzung des Infektionsschutzes in Amts- und Vollzugshilfe gemeinsam mit der Ordnungsbehรถrde und dem Gesundheitsamt der Stadt Leipzig. Die ersten beiden Ziele, bei durch die Versammlungsbehรถrde geschรคtzten 20.000 Teilnehmern, haben wir weitestgehend erreicht. Gleichwohl haben wir aktuell mehr als 30 Straftaten, รผberwiegend Sachbeschรคdigungen, zu verzeichnen. Das dritte Ziel, gemeinsam mit der Stadt den Infektionsschutz zu gewรคhrleisten, wurde nicht erreicht. Auflagen wurden verletzt, sodass die Versammlungsbehรถrde entschieden hat, die Versammlung zu beenden. In der Folge haben wir die Teilnehmer aufgefordert, den Versammlungsraum zu verlassen. Hierfรผr war nur die Richtung Hauptbahnhof/Ostseite mรถglich, da auf dem Grimmaischen Steinweg und am Roรplatz Gegenversammlungen stattfanden. An der Ostseite stauten sich die Menschen an einer von uns in Richtung Zentralhaltestelle errichteten Sperre, deren Ziel darin bestand, die Menschen in Richtung Brandenburger Straรe/Leipziger Osten abzuleiten. Es entstand groรer Druck auf die Polizeikrรคfte, dem wir nur unter Einsatz von unmittelbarem Zwang standhalten hรคtten kรถnnen. Damit stellt sich die Frage der Verhรคltnismรครigkeit der Mittel. Gewalt einzusetzen war fรผr uns nicht angezeigt. Man bekรคmpft eine Pandemie nicht mit polizeilichen Mitteln, sondern nur mit der Vernunft der Menschen.“ Eine Gesamtbilanzierung der Polizeifรผhrung soll im Laufe des Sonntags kommen.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) appelliert an die Verwaltungsgerichte, sich nicht lรคnger vor den Karren der sogenannten Querdenken-Bewegung spannen zu lassen. Der teils gewalttรคtige Verlauf der Groรdemonstration am Samstag in Leipzig sei ein weiteres Beispiel fรผr die Januskรถpfigkeit der Veranstalter und der Teilnehmenden, sagte der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Jรถrg Radek am Sonntag in Hannover. Es sei sehr schnell zu erkennen gewesen, dass die Tausenden Demonstrierenden nie in Erwรคgung gezogen hรคtten, den Auflagen des Verwaltungsgerichts und der Versammlungsbehรถrde zu folgen. Mitverantwortung fรผr erhรถhte Infektionsrisiken trรผgen jedoch auch diejenigen, die solch offensichtliches Treiben nicht spรผrbar einschrรคnkten. Bliebe dies weiter aus, kรคme es zu einem gleichen Szenario bei nรคchster Gelegenheit, bekrรคftigte Radek.
„Der auf rechtsextreme Gruppierungen und Hooligans wirkende Sog der Corona-Leugner besorgt mich zutiefst. Es hat den Eindruck, als steige die Aggressivitรคt der Teilnehmenden von Mal zu Mal an„, betonte der GdP-Vize. Die Leidtragenden dessen seien die polizeilichen Einsatzkrรคfte sowie das Grundrecht der Versammlungsfreiheit. „Der Vorsatz, mit dem wรคhrend solcher Versammlungen und Aufzรผge unsere Kolleginnen und Kollegen nicht nur angegriffen, sondern auch in groรe Gefahr gebracht werden, sich mit dem Corona-Virus anzustecken, macht mich fassungslos„, fรผhrte Radek fort. Es sei kaum nachvollziehbar, dass diese Massenversammlungen in Zeiten stรคndig steigender Infektionszahlen zugelassen wรผrden. Das Einhalten der Pandemieregeln sei unter diesen Bedingungen in einer Innenstadt nicht mรถglich. Das sollte jedem einleuchten.
Dem schloss sich auch Hagen Husgen, Vorsitzender der GdP Sachsen, an. Die Polizei mรผsse erneut ausbaden, was andere zu verantworten haben. โFรผr mich ist es vรถllig unverstรคndlich, warum man in solchen Zeiten, in denen der Besuch von Sportstadien, Gaststรคtten oder Kinos verboten ist. eine derartige Demonstration zulassen kann. Und dies zudem noch in der engen Leipziger Innenstadt. Nun hagelt es auch noch aus den Reihen der sรคchsischen Opposition Kritik am Polizeieinsatz. Ich sage es ganz offen: Unsere Kollegen fรผhlen sich an der Nase gefรผhrt. Sie sind es, die wieder einmal ihren Kopf hinhalten. Und das kรถnnte man auch in stรคrkeren Worten ausdrรผcken.โ
Update: Connewitz Samstagabend: „Am gestrigen Abend sammelten sich im Leipziger Stadtteil Connewitz bis zu 500 gewaltbereite Personen, errichteten auf der Wolfgang-Heinze-Straรe mehrere Barrikaden und setzten diese in Brand. Im Zuge der Lรถscharbeiten wurde die Polizei in Amtshilfe fรผr die Branddirektion Leipzig tรคtig, da es zum Bewurf auf die Feuerwehr kam. Die Brรคnde hatten bereits auf die Oberleitung der Straรenbahn รผbergriffen. Im Rahmen der Aufklรคrungsmaรnahmen wurden erhebliche Mengen an Stein- und Flaschendepots festgestellt, so dass entschieden wurde, die Feuerwehr nicht erneut zum Einsatz zu bringen. Zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung wurden Polizeieinheiten und Sondertechnik (Wasserwerfer und Sonderwagen) in den Stadtteil verlegt. Die Wasserwerfer kamen vorrangig zum Lรถschen der Barrikaden zum Einsatz. Nach kurzen Widerstandhandlungen durch Bewurf der Einsatzkrรคfte zerstreuten sich die Personen im Umfeld. Nach Mitternacht bis in die Morgenstunden kam es in Connewitz nur noch vereinzelt zu Brรคnden (Unrat, Mรผlltonnen).„, teilte die Polizeidirektion am Sonntag mit.
Im Rahmen der Einsatzmaรnahmen wurden laut Polizei 102 Straftaten mit 89 Beschuldigten registriert, darunter ein schwerer Landfriedensbruch, zehn Landfriedensbrรผche, 14 tรคtliche Angriffe auf Vollstreckungsbeamte, neun Widerstรคnde gegen Vollstreckungsbeamte, 13 Kรถrperverletzungen und elf Sachbeschรคdigungen.ย Die Einsatzkrรคfte fรผhrten insgesamt 31 freiheitsentziehende Maรnahmen durch – 13 vorlรคufige Festnahmen und 18 Gewahrsamnahmen. Zudem wurden รผber 140 Ordnungswidrigkeiten nach der Sรคchsischen Corona-Schutz-Verordnung und dem Sรคchsischen Versammlungsgesetz geahndet.
In den am Samstag ab 9:00 Uhr durchgefรผhrten Vorkontrollen im Anreiseverkehr auf den angrenzenden Bundesautobahnen wurden 40 Reisebusse mit dem Reiseziel Leipzig auf Infektionsschutz sowie Verkehrssicherheit kontrolliert. Verstรถรe konnten keine festgestellt werden.ย Im Rahmen der Einsatzmaรnahmen am 7. November 2020 wurden 31 Einsatzkrรคfte leicht verletzt. Alle verletzten Polizeibeamtinnen und -beamten sind weiterhin dienstfรคhig.
Im Einsatz waren insgesamt ca. 3.200 Einsatzkrรคfte. Darunter befanden sich 21 Hundertschaften, zwei Wasserwerferstaffeln, drei Polizeihubschrauber, acht Polizeipferde und sieben taktische Lautsprechertrupps. Die Polizeidirektion Leipzig wurde dabei neben Krรคften aus den Polizeidirektionen sowie der sรคchsischen Bereitschaftspolizei aus Bayern, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Thรผringen, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Berlin und Bundespolizei unterstรผtzt. Weiterhin wurde der Polizei รผber eine Publizierung der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju/ver.di) bekannt, dass es 32 รbergriffe auf Medienvertreter im Rahmen des Versammlungsgeschehens in Leipzig gegeben haben soll. Daraufhin wurden die betroffenen Medienvertreter รผber soziale Netzwerke aufgefordert, sich bei der Polizei zu melden und die Einsatzkrรคfte entsprechend sensibilisiert. Bisher sind keine Strafanzeigen im Sachzusammenhang bekannt.