Hagelkanonen großer Blödsinn?

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Foto: Wikipedia/ Weiderinder.de.vu/Freie Nutzung

Grimma/Dürrweitzschen. Viele Meinungen ranken sich um das Thema Hagelkanonen in Dürrweitzschen doch was ist tatsächlich dran?

Das Umweltamt im Landkreis Leipzig bearbeitet derzeit eine Bürgerbeschwerde wegen der Anwendung von sogenannten Hagelschutzkanonen. Diese Geräte werden bei drohendem Gewittern z.B. von Obstplantagen eingesetzt. Das Gerät erzeuge eine Druckwelle und schieße diese in den Himmel. So soll die Bildung von Hagelkörnern verhindert werden. Zunehmend beschweren sich Menschen, dass diese lautstarken Kanonen das Wetter in der Region massiv beeinflussen würde und dadurch weniger Regen falle.

Alle 15 Sekunden knallt’s in Dürrweitzschen Obslandsprecherin Sprecherin Tina Hellmann äußerte sich in den Medien bereits im letzten Jahr (30): „Wir haben 1,5 Millionen Bäume. Die brauchen natürlich auch Wasser„, sagte sie damals. „Die ausgesandten Druckwellen verhindern das Anwachsen der Eiskristalle zu Hagelkörnern„, erklärt sie. Verantwortlich für ausbleibenden Regen sei die Technik nicht. Die Wassertropfen würden  trotzdem auf die Erde fallen, nämlich als Regen oder Nassschnee. Auch Gewächshäuser, Dächer und Autos würden laut Unternehmenssicht von der Schutzmaßnahme profitieren.

Wetterexperte Jörg Kachelmann hält das für ausgemachten Blösinn. „Damals glaubte man noch an die Möglichkeit, dass man durch das Einbringen von Silberjodid in Gewitterwolken Hagel verhindern könnte. Es war ein Thema seit den Fünfzigerjahren, es gab immer wieder kleinere Versuche, die alle keinen Unterschied ergaben beim Hagelschlag, ob nun vorher mit Silberjodid „geimpft“ oder nicht. „, schreibt der Wetterexperte auf T-Online.  Fazit der damaligen Forschung, kurz gefasst: „Es bringt nix. Danach wurden weltweit alle staatlichen Programme eingestellt – man glaubte, was schon denklogisch ist: Eine Gewitterwolke ist etwas zu Mächtiges, um deren Dynamik beeinflussen zu können, man kommt ihr weder mit Kanonen bei, noch mit lustigen kleinen Flugzeugen, die eine Gewitterwolke in mehreren Teilen ausspucken würde, kämen die Hagelpiloten auch nur in die Nähe der Wolkenregion, wo es zur Sache geht.“

Hagelflieger seien aber nicht das alleinige Problem:“Es gibt besonders bescheuerte Gegenden, wo Behörden systematische Lärmbelästigung durch Menschen erlauben, die mit Gewitterkanonen ihr scharlataneskes Handwerk ausüben und mit eigenem Wahnsinn andere in den Wahnsinn treiben: Wir stellen uns vor, wie tief beeindruckt Hagelkörner in vier oder fünf Kilometer Höhe im Getöse der Gewitterwolke sein werden durch das kleine entfernte, wohl eher unhörbare „Plop“.“ so Kachelmann.

In diese Wolkenphysik versucht man schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts in Europa mit technischen Mitteln einzugreifen. Hunderte Hagelkanonen wurden damals in der Größe von sechs Metern verkauft. „Damit sind damals Rußpartikel in die Wolken geschossen worden“, erzählt Joachim Curtius, Atmosphärenforscher an der Uni Frankfurt am Main dem Tagesspiegel. In den Vierzigerjahren kam Silberjodid hinzu. Auch ein Eiweiß des harmlosen Bakteriums Pseudomonas syringae sei geeignet, versprachen die Wettermanipulateure. Diese Substanzen würden als Eiskeime wirken, heißt es. Sprühe man sie mit Flugzeugen in die Wolken, würden Eispartikel – und Regentropfen entstehen. Ziel mit den Mitteln war es aus großem Hagel kleine Hagelkörner zu machen. Doch Erfolge der sogenannten Wolkenimpfung sind kaum nachzuweisen.

Auch der Hagel-Experte Brant Foote, Direktor des Research Applications Laboratory am National Center for Atmospheric Research in Boulder im US-Bundesstaat Colorado, ist skeptisch gegenüber der Wirkung. „Es gibt keinerlei wissenschaftliche Beweise dafür, dass sie wirksam sind“, sagt er über die Hagelkanonen gegenüber dem Handelsblatt.

Obstland AG Vorstand Jan Kalbitz wird in der LVZ zu trotzdem entstandenen Erneschäden wie folgt zitiert: „Wetter bleibt ein unkontrollierbares Phänomen. Offenbar gelangten die Hagelkörner bereits in dieser Größe aus anderen Regionen in hohen Luftschichten bis zu uns.“ In diesem Entstehungsstadium würden die Kanonen sie weder antauen noch anderweitig zerstören. Die Druckwelle könne daher lediglich vor Entstehungsbeginn eines großen Hagelkorns die Ballung von Eis zu größeren Objekten verhindern.

Die Kanonenbetreiber würden laut Kachelmann davon profitieren, dass es an einem bestimmten Ort rund alle 20 bis 30 Jahre Großhagel gebe. Das führe dazu, dass viele Menschen sagen werden, dass es nicht mehr stark gehagelt hätte, seit es die Kanonen gäbe. „Wenn Sie was gegen Hagel tun wollen, gehen Sie in die Kirche und zünden Sie eine Kerze an. Von Hagelfliegern wissen wir, dass es nichts bringt. Beim Beten ist noch alles möglich.“ so der Wetterexperte.