Borna. Hoch emotional ist die derzeitige Debatte um den Bรผrgerentscheid am kommenden Sonntag der den beschlossenen Abriss des geschichtstrรคchtigen Freibades in Borna verhindern soll. Wir haben die Geschehnisse zusammengefasst allerdings ohne die aufgebauschten Emotionen. Um bei diesem hoch komplexen Thema durchzublicken sind wir nach Borna gefahren und haben uns tiefe Einblicke in die Chronologie der Geschehnisse gesichert.
Im Jahre 2006 wurde das in die Jahre gekommene Freibad aus wirtschaftlichen Grรผnden geschlossen. Daraufhin grรผndete sich die erste Bรผrgerinitiative die von da an fรผr den Erhalt des Freibades kรคmpfte.
2013 wurde ein Bรผrgerbegehren durchgefรผhrt welches positiv fรผr die Initiative ausfiel. Der damalige Stadtrat wandelte daraufhin das Bรผrgerbegehren in einen Stadtratbeschluss um und beauftragte die Oberbรผrgermeisterin und die Stadt Borna mit der Sanierung und der Wiedererรถffnung bis Ende des Jahres 2016. Daraufhin wurde die Firma Arcadis von der Stadt Borna mit den Planungen und Erstellung eines Konzeptes beauftragt.
2015 wurde ein Konzept den Stadtrรคten fรผr ein Naturbad in Hรถhe von 1,9 Millionen Euro vorgestellt mit detaillierten Zeitplรคnen. Das Ganze sollte, wenn alles nach Plan lรคuft im Sommer 2016 erรถffnet werden. Die Stadtrรคte sollten im Juli 2015 (zu Zeiten des Bรผrgermeisterwahlkampfes) nun entscheiden ob sie den Weg mit diesem Konzept weiter gehen wollen. Die Rathausspitze hatte im weiteren Verlauf eine Sondertagung einberufen, um sich fรผr den Neubau des Bades ein Jahr Aufschub absegnen zu lassen. Um dafรผr die Weichen zu stellen, sollte der Stadtrat seinen 2013 gefassten Beschluss dazu anpassen da der Planungsstand einen spรคteren Zeitpunkt zur Erรถffnung vorsah, was im Bau und Planungsrecht bei groรen Projekten nicht unรผblich ist. Der Antrag wurde mit der Begrรผndung das das ganze den aktuellen Haushalt belaste abgelehnt. Laut Stadtverwaltung und Oberbรผrgermeisterin Luedke ist das Geld aber im Haushalt eingeplant, bedingt durch die vorherigen Beschlรผsse, sodass dadurch keine Mehrbelastung des aktuellen Haushaltes entstehen wรผrde.
Im Zuge der Beratung wurde dann durch die CDU Fraktion der Antrag eingereicht das Freibad bis Ende 2016 zurรผckzubauen und den Beschluss, der die Wiederinbetriebnahme und Sanierung des Freibades vorsah zurรผck zu nehmen und sรคmtliche Planungen mit der vertragsgebundenen Firma Arcadis einzustellen. Diesem wurde mehrheitlich zugestimmt. Damit war der Abriss vorerst besiegelt und das Wahlversprechen der Oberbรผrgermeisterin das Freibad wiederzuerรถffnen vorerst unmรถglich gemacht.
Daraufhin grรผndete sich dann die 2. Bรผrgerinitiative mit dem Ziel den Abriss zu verhindern. Dazu wurde ein neuerliches Bรผrgerbegehren angeschoben welches klar gegen den Abriss votierte. Der Stadtrat zweifelte dieses das dann wiederum an, trotz dessen es im Stadtrat drei Volljuristen mit erstem und zweiten Staatsexamen gibt, welche aus den Reihen der CDU und SPD kommen und forderte die Stadt auf ein Rechtsgutachten erstellen zu lassen, was natรผrlich mit weiteren Kosten verbunden war. Dieses bescheinigte die Zulรคssigkeit dem durchgefรผhrten Bรผrgerbegehren sodass der Stadtrat eigentlich gezwungen war sich dem Ganzen nun doch mit der nรถtigen Aufmerksamkeit zu widmen was sie dann auch taten und die Zulรคssigkeit per Stadtratsbeschluss bestรคtigten.
Die Folge: Ein Bรผrgerentscheid am 22. Mai 2016. Bedingt durch das gute Ergebnis im Bรผrgerbegehren war die Bรผrgerinitiative auf der Zielgeraden, wenn da nicht eine Podiumsdiskussion einer regionalen Tageszeitung gewesen wรคre auf dem ein 2. Planungsentwurf der Firma Arcadis, welcher ein Chemiebad fรผr 3,7 Millionen Euro vorsah, durch Stadtrat Maic Staudacher (Bรผrger fรผr Borna) verรถffentlicht wurde. Der Skandal war perfekt als die Oberbรผrgermeisterin erklรคrte sie kenne den Entwurf nicht. Mit der Aussage wurde sie dann quasi fรผr vogelfrei erklรคrt, dazu aber spรคter mehr. Stadtrat Staudacher bestรคtige in einem Facebookkommentar spรคter (liegt uns vor) dass die Regionalzeitung die Unterlagen VOR ihm hatte. Woher er Sie bekommen hatte blieb jedoch sein Geheimnis, jedenfalls war er derjenige der diesen dann auf der Podiumsdiskussion vorstellte, die Frage warum er und nicht der eigens als Moderator eingesetzte Chefredakteur der dann allerdings ebenfalls aus dem Schriftstรผck zitierte, ist auch eine von vielen offenen Fragen die noch folgen werden.
Nun stellte die Stadtverwaltung im eigenen Haus Recherchen auf, woher diese Planungsunterlage komme und siehe da, auch dafรผr gibt es eine sachliche unspektakulรคre Erklรคrung.: โMit dem Beschluss des Stadtrates am 25. Juli 2013 der infolge des ersten Bรผrgerbegehrens zum Thema โNaturbad in der Wyhraaueโ den angestrebten Bรผrgerentscheid vorwegnahm, begannen in der Verwaltung erste Arbeitsschritte zur Wiedererรถffnung des Freibades zum Ende des Jahres 2015 โ entsprechend des Beschlusses. Vor dem Hintergrund mรถglicher Interessenkonflikte und deren Vermeidung durch ihre Mitarbeit im Freibadverein vor ihrer Amtsรผbernahme, รผbergab Oberbรผrgermeisterin Simone Luedtke den kompletten Vorgang dem damaligen Beigeordneten, Frank Stengel, der bis zu seinem Ausscheiden aus dem Amt auch alle Fรคden dazu in der Hand hielt. Der Stadtrat stoppte die weiteren Planungen und Arbeiten durch seinen Beschluss am 09. Juli 2015, der den Abriss der Anlagen in der Wyhraaue vorsieht. Der Auftrag des Stadtrates an die Verwaltung ist eindeutig; dieser Beschluss hat bis heute Gรผltigkeit, was auch der Grund ist, weshalb innerhalb der Verwaltung die Planungen und Arbeiten zu dem Vorhaben nicht weiter vorangetrieben worden sind.โ heiรt es in einer entsprechenden Presseerklรคrung der Stadtverwaltung. Auch zu den aufgetauchten Unterlagen รคuรert man sich: โUnterlagen die eine differenziertere Betrachtung, als im Juni 2015 im Bornaer StadtGesprรคch vorgestellt, ausweisen, lagen bis Anfang des Jahres 2016 nicht vor. Im vierten Quartal 2015 stellte das beauftragte Planungsbรผro Arcadis eine Rechnung. Da bis dato keine belastbaren Unterlagen vorhanden waren, wurden diese nachgefordert, um die Rechnung einer fundierten Prรผfung unterziehen zu kรถnnen. (Die Rechnung begrรผndet sich durch einen Beschluss des Bauausschusses vom 03. Juni 2014, durch den Arcadis den Planungsauftrag fรผr das Freibad erhielt.) Eine entsprechend Information zu den bis dahin entstandenen Kosten der Planungen erhielten die Fraktionen des Stadtrates auf Anfrage von Stadtrat Staudacher im Februar 2016. Diese bei Arcadis angeforderten Unterlagen gingen in der Verwaltung ebenfalls Februar ein. Darunter auch der thematisierte Vorentwurf vom Juli 2015, der einen Variantenvergleich zwischen einem Naturbad und einem konventionellen Freibad beinhaltet. Eine Betrachtung und Diskussion der zu diesem Zeitpunkt vorgelegten Unterlagen in den Fachgremien der Verwaltung bzw. mit dem Planungsbรผro verbot sich wiederum aufgrund des โAbrissbeschlussesโ vom Juli 2015. Erschwerend kommt hinzu, dass dieser Vergleich zu keinem Zeitpunkt in dieser Form schriftlich beauftragt worden ist, da dieses Vorgehen dem Stadtratsbeschluss vom 25. Juli 2013 direkt widersprochen hรคtte. Die Unterlagen wurden lediglich zum Zwecke der Rechnungsprรผfung durch den Fachdienst gesichtet. Darรผber hinaus legte das Planungsbรผro eine teilweise ausgearbeitet Bauvoranfrage vor, die ebenfalls nicht Teil seines Auftrages war. Bis zum heutigen Tag konnte der Privilegierungsprozess, der laut Aussage des Sรคchsischen Staatsministeriums des Innern notwendig ist, um Baurecht in der Wyhraaue zu schaffen, von Arcadis nicht endgรผltig abgeschlossen werden. Die entsprechenden Ergebnisse sollen nach Rรผcksprache von Bรผrgermeisterin Andrea Staude mit dem Planer noch in dieser Woche vorgelegt werden. In der Nachfolge von Bรผrgermeister Stengel รผbernahm Frau Staude auch den kompletten Prozess und die Bearbeitung der Thematik innerhalb der Stadtverwaltung.โ
Im Klartext heiรt das nichts mehr als ein normaler Rechnungsablauf mit Prรผfung. Niemand bezahlt eine Rechnung die nicht den Leistungen entsprechen oder? In der Stadtratsitzung am Donnerstag kam es dann weiter zum Schlagaustausch und zu merkwรผrdigen Szenen. Hรคtte man nicht gewusst das es sich um eine Stadtratsitzung handelt hรคtte man durchaus Parallelen zu einer Gerichtsverhandlung erkennen kรถnnen, die Stadtrรคte bzw. Feibadgegner die Richter, die Oberbรผrgermeisterin die Angeklagte.
Simone Luedke wurde vorgeworfen nicht zu wissen was in ihren รmtern vor sich gehe. Auรerdem wurde angesprochen der Oberbรผrgermeisterin das Misstrauen auszusprechen zu dem es aber nicht kam. Neben den mittlerweile รผblichen Angriffen wurden auch teilweise respektlose รuรerungen durch Mitglieder verschiedene Fraktionen die persรถnlich nicht im Stadtrat sitzen,aber als Zuschauer im Raum prรคsent waren beklatscht.
Rein sachlich, emotionslos betrachtet muss eine Oberbรผrgermeisterin nicht in jedem Schriftverkehr ihrer รmter Einsicht haben, bei der Grรถรenordnung von Borna im Vergleich zu anderen Kommunen nicht unรผblich. Der Vorwurf, dass das besagte Rechnungsprรผfungsamt hier eventuell geschlafen hat ist durchaus denkbar aber auch nicht abwegig. Wenn eine Rechnung gestellt wird, Unterlagen zur Erklรคrung der Rechnung abgefordert werden und eintreffen, kann auch der Sachbearbeiter nicht unmittelbar wissen ob diese Unterlage รผberhaupt im Bauamt als Unterlage verwendet wurde. Den einzigen Vorwurf den man machen kรถnnte wรคre dann folgerichtig, der Sachbearbeiter hรคtte nachfragen mรผssen wobei die Grundlage fรผr den Bรผrgerentscheid ohnehin nicht in dieser Unterlage liegt sondern speziell fรผr den Entwurf des Naturbades fรผr 1,9 Millionen.
Wenn sich diese Kosten aufgrund anderer Zahlen nach dem Bรผrgerentscheid รคndern ist wieder abzuwรคgen inwieweit man dort รnderungen und Kompromisse finden kann, spielen aber in der Grundlage fรผr den Entscheid am Sonntag keine Rolle. Ein wichtiger Knackpunkt ist allerdings der folgende. Wenn der Entscheid am Sonntag negativ ausfรคllt wird es im besagten Gebiet kein Freibad mehr geben egal ob fรผr 1,9 oder 3,2 Millionen, mit dem Abriss erlischt der Bestandsschutz was so auch die Landesdirektion bestรคtigt hat. Eine Wiedererรถffnung rutscht damit fast in die Aussichtslosigkeit
Fazit: Viele Emotionen, wenig Sachlichkeit und offene Fragen beherrschen derzeit die Debatte, die derzeit nicht eindeutig beantwortet werden kรถnnen. Wird hier aus machtpolitischen Grรผnden die Freibaderรถffnung verhindert und gezielte Unruhe unter der Bevรถlkerung geschรผrt? Warum wird immer wieder das Argument gebracht, dass das Freibad im hochwassergefรคhrdeten Gebiet liegt wenn die Wahrscheinlichkeit relativ gering ist das der Hochwasserfall auftritt bzw. wenn es dafรผr Lรถsungen gibt die unspektakulรคr wรคren ? (Weder 2002, noch 2013 war das Freibad Opfer eines Hochwassers geworden) Woher hatte die Tageszeitung die Unterlagen die Bestandteil einer noch laufenden Rechnungsprรผfung sind ? Warum wurde die Bรผrgerinitiative nicht vor der Podiumsdiskussion รผber das Vorhanden dieser Unterlagen informiert? Warum legt das Planungsbรผro immer wieder neue Zahlen vor, besonders mit der Vorraussicht auf den Bรผrgerentscheid und die laufende Rechnungsprรผfung und wie begrรผnden sich diese Zahlen? Warum werden aus nichtรถffentlichen Sitzungen innerhalb von Stunden Informationen an lokale Medien weitergereicht wenn die sรคchsische Gemeindeverordnung im ยง 37, รffentlichkeit der Sitzungen,
Absatz (2) klar folgendes regelt? „Die Gemeinderรคte und der Bรผrgermeister sind zur Verschwiegenheit รผber alle in nichtรถffentlicher Sitzung behandelten Angelegenheiten so lange verpflichtet, bis der Gemeinderat im Einvernehmen mit dem Bรผrgermeister die Verschwiegenheitspflicht aufhebt….“