Jetzt reicht´s! – Bürger laufen Sturm gegen Stadtratentscheidung

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Foto: Archivbild/pixabay

Naunhof. Der Stadtrat hatte in der letzten Sitzung beschlossen mit einem Interessenbekundungsverfahren zu prüfen ob sich nicht freie Träger für die kommunalen Kindertagesstätten finden lassen.

Die bekannte „Stadtratsmehrheit“, die mittlerweile immer häufiger in Kritik geraten ist, stimmte dem Ganzen natürlich zu, schließlich kam der Antrag aus den eigenen Reihen. Nachdem bereits Michael Eichhorn (Linke) beantragte den Punkt von der Tagesordnung zu nehmen und damit scheiterte, scheiterte auch Bürgermeister Volker Zocher (parteilos) mit seinem Antrag, die Frage über einen Bürgerentscheid klären zu lassen. Diese Anträge wurden durch die gewählten Vertreter des Volkes mit großer Mehrheit abgelehnt. Die Antragsteller argumentieren ihren Vorstoss, dass die vorhandenen Kitas in Naunhof, welche in freier Trägerschaft sind, gute Arbeit leisten und zur Vielfalt des Betreuungsangebots in der Stadt beitragen. Die „Stadtratmehrheit“ ist der Meinung dass sich hier womöglich Verwaltungsaufwand reduzieren würde und damit Kosten. Deshalb solle geprüft werden, ob freie Träger, welche gemeinnützig tätig sein müssen, überhaupt Interesse haben, die eine oder andere Einrichtung zu übernehmen.  „Ich halte eine weitere Vergabe an öffentliche Träger für falsch. Wir fahren besser, wenn ein Pool an städtischen Kitas besteht.“ erklärte Bürgermeister Zocher in der Sitzung. Begründet hat er seine Ablehnung damit, dass hier wichtiger Handlungsspielraum verloren gehen würde. Eine Vielfalt sei auch in den kommunalen Kitas vorhanden. Auch bei freien Trägern ist es möglich, dass Kosten steigen. Zocher verwies dabei auf einen weiteren Tagesordnungspunkt der Stadtratssitzung, welcher durch den gesamten Stadtrat beschlossen wurde, nämlich die Erhöhung der Verwaltungsaufwendungen des Diakonischen Werkes. Allerdings nur in der Höhe die auch in kommunalen Tagesstätten entstehen. Unter dem Strich steht damit eine Mehraufwendung von rund 3,50 Euro pro Kind und Monat . Michael Eichhorn, der mittlermeile zum größten Widersacher der Stadtratsmehrheit avanciert, machte klar: „Der Entwurf sieht nicht nur eine Interessenbekundung vor, sondern einen unterschreibefähigen Vertragsentwurf.“ „….2. Der Bürgermeister wird angewiesen, die zugegangenen Interessenbekundungen der Freien Träger dem Stadtrat spätestens zur nächsten auf den Fristablauf für die Interessenbekundung folgenden öffentlichen Sitzung des Stadtrates vorzulegen. In dieser Sitzung des Stadtrates ist auf die Tagesordnung ein Tagespunkt zu setzen, der eine Beschlussfassung darüber ermöglicht mit welchen Freien Trägern für welche städtische Einrichtung Gespräche über die vertragliche Ausgestaltung der Übernahme geführt werden und welche inhaltlichen Vorgaben durch den Stadtrat dazu gemacht werden.“ heißt es im Beschluss.   Unterstützung bekam Eichhorn aus seiner Fraktion und Christian Plischke (Linke) und von Dietmar Schenk, der kürzlich erst aus der BiN ausgestiegen war.  Uwe Kulisch (UWV) warf Eichhorn vor, er habe bei einem Bürgerforum der Linken im Alten Kranwerk, welches überaus positiv und sachlich aufgenommen wurde (wir berichteten) die Bevölkerung aufgestachelt, er selbst war allerdings nicht dabei. Niemand habe vor, etwas zu privatisieren und bemängelte die Informationspolitik der Stadtverwaltung. Fazit, der Stadtrat entschied sich mit der üblichen Mehrheit für ein Interessenbekundungsverfahren und stimmte gegen den Antrag einen Bürgerentscheid dazu durchzuführen.

Am Freitag haben sich nun Bürger zusammengeschlossen und bei der Stadtverwaltung ein Bürgerbegehren:  „Kinderfreundliche Stadt- Unsere Kitas bleiben in Städtischer Hand“ angezeigt.  Hintergrund ist der benannte Stadtratsbeschluss ,der zunächst ein Interessenbekundungsverfahren vorsieht, im zweiten Teil des Beschlusses aber bereits eine konkrete Zeitschiene mit klaren Ziel der Privatisierung vorsieht.  Initiatoren des Bürgerbegehrens sind Frau Elke Schenk und Monique Wünschmann welche in einer Pressemitteilung die Einwohner der Stadt Naunhof aufrufen, das Bürgerbegehren zu unterstützen. Unterschriftenlisten sind bei den Vertrauenspersonen erhältlichl bzw. werden in den nächsten Tagen verteilt. „Die Aufgabe der Kommune ist es, die rechtlichen Vorgaben zur Umsetzung des Rechtsanspruches auf einen Krippen-/Kindergartenplatz sicher zu stellen.“ erklären die Initiatoren und gehen auch gleich auf wichtige Fragen ein:  „Was wären die Vorteile einer möglichen Privatisierung? Eines wäre die Logistik des Personals, welche wegfallen würde, so z.B. Personalplanung, Personalbeschaffung und die Klärung sämtlicher Personalangelegenheiten. Wegfallen würden die Kitaabrechnungen und die Lohn- u. Gehaltsabrechnungen. Ebenso können die Personalkosten steigen auf Grund bestehender Tarifvereinbarungen der freien Träger. Aber eine Dumpinglohnpolitik zu Lasten der Kinder wollen wir das wirklich?“ . Auch die Nachteile aus Sicht der Initiatoren bleiben nicht auf der Strecke:  „Ein Viertel der Kitas sind schon in freier Trägerschaft. Gegebenfalls bleiben aber teure unwirtschaftliche Kindertagesstätten in Kommunalhand was auf Grund kleinerer Gruppenstärken zu höheren Personalkosten führt. Natürlich steigt der Verwaltungsaufwand beim Freien Träger und der Stadtverwaltung, welche letzten Endes weiter für die Abrechnung der freien Träger, die Haushaltplanung, die Berechnung der Gemeindeanteile, die Beantragung des Landeszuschusses usw. zuständig bleibt. Selbst die Betriebskostenabrechnung und die Bedarfsplanung bleibt weiterhin die Aufgabe der Stadt Naunhof. Was bleibt ist auch eine starke finanzielle Beteiligung der Stadt, so z.B. die Personalkosten, Betriebskosten, beim Ausbau/Erweiterung u. Ausstattung von Kitas, bei der Übernahme von Erbbaupacht oder Miete u. Übernahme von Zinszahlungen. Der Eigenanteil der freien Träger ist auf ein Minimum reduziert, da sie in der Regel den Nachweis erbringen, keinen Eigenanteil aufbringen zu können. Der rechtliche Anspruch auf einen Kita-platz besteht gegenüber der Stadt. Diese trägt die Verantwortung. Je mehr Freie Träger, umso schwerer die Sicherstellung des Rechtsanspruches, weil das Mitspracherecht der Stadt bei der Aufnahme der Kinder eingeschränkt ist und ggfs. Klageverfahren auf die Stadt zukommen könnten, wenn keine Einrichtung mehr in städtischer Trägerschaft sind.“ Weiter heißt es: „Wir reden jetzt nur davon was kommt auf die Stadtverwaltung zu, aber was ist, wenn Eltern Probleme mit der Einrichtung haben, an wen sollten sie sich wenden? Wird Ihnen geholfen? Oder müssen sie sich eine andere Einrichtung suchen? Mit der Stadt hat man immer einen Ansprechpartner, welcher auch in schwierigen Fragen hilft.“ Harry Eichhorn (ehemaliger Stadtrat der Linken) machen die derzeitigen Entwicklungen in Naunhof Sorgen und findet klare Worte: „Wer die Kommunalpolitik in unserer Stadt auch nur ansatzweise verfolgt, wird erstaunt, aber nicht überrascht, feststellen, dass der Antrag auf schnelle Privatisierung der Kindergärten genau zu dem Zeitpunkt gestellt wird, als die Mehrheit des Stadtrates den Beschäftigten in der Verwaltung ihren berechtigten Anspruch auf die Einführung eines Tarifvertrages verwehrte. Seitdem gibt es zu diesem Problem eine Menge heuchlerischer Ausreden, die die wahren Motive der Antragsteller verschweigen. Deshalb bleibt festzustellen: Der Antrag soll die Beschäftigten der Verwaltung disziplinieren und einschüchtern, damit sie nicht mehr von ihrem Grundrecht auf Streik Gebrauch machen. Die Eile, die dabei vom Bürgermeister gefordert wird, lässt aufhorchen. Offenbar will man vor der Wahl eines neuen Stadtrates Fakten schaffen, weil eine Rekommunalisierung der Kindergärten später fast unmöglich wird. Das Bürgerbegehren richtet sich nicht gegen die Tätigkeit freier Träger, aber Vielfalt wird sowohl dort wie auch in hoher Qualität in unseren städtischen Einrichtungen angeboten. Warum soll die Stadt, die für die Kinderbetreuung ohnehin Verantwortung trägt, ihren Einfluss auf diese wichtige Aufgabe aus der Hand geben? Dass Privatisierungen Forderungen von vorgestern sind, wurde nicht nur auf der Podiumsdiskussion im Kranwerk parteiübergreifend festgestellt, sondern ist mittlerweile Konsens in den meisten Kommunen. Das Ziel der Befürworter einer schnellen Privatisierung ist klar: Man will sich widerspenstige Beschäftigte vom Hals schaffen und die weiteren Diskussionen zu einem Tarifvertrag abwürgen. Dafür dürfen nicht die Kinder als Mittel zum Zweck benutzt werden. Die Stadtratsmehrheit ist aufgefordert, den hohen Wert kommunaler Arbeit auch materiell zu würdigen!“

Weitere Enscheidungen die für den Ein oder Anderen Fragezeichen auf die Stirn warfen, waren der Antrag von Hermann Kinne (CDU) welcher sich von der Stadt Naunhof einen Zuschuss in Höhe von 30.000 € für die 750-Jahrfeier von Fuchshain erhofft und die neuerliche Ablehnung des Wohnbauprojektes Parthenstraße, die sich mehr oder Weniger auf persönliche Empfindungen und sich weniger auf sachliche Aspekte bezog, z.B. die kontroverse Anfrage von Marcus Blankenburg (UVW) ob Herr Roßnagel (Investor) denn Archivgebühren bezahlt hätte weil auf seiner Homepage Archivbilder zu sehen seien. Das verneinte die entsprechend zuständige Mitarbeiterin der Stadtverwaltung. Ihr sei nicht bekannt, dass Herr Roßnagel überhaupt im Archiv war. Der Investor wollte 500.000 € in die Erschließung der Straße investieren und hatte aller geforderten Unterlagen, die auch von den Stadträten gefordert wurden eingereicht. Laut Bürgermeister Zocher könnte nun eine Klage auf die Stadt zukommen.