Der City-Tunnel Leipzig

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Quelle: Freistaat Sachsen/ DB AG

Leipzig. Ein ingenieurtechnisches Meisterwerk, eine vier Kilometer lange, unterirdische Bahntrasse verbindet den Hauptbahnhof Leipzig mit dem Bayerischen Bahnhof. Vier unterirdische Stationen verbinden das nördliche Leipzig mit dem Süden der Stadt. Der City-Tunnel Leipzig ist dabei nur ein Teilstück des Mitteldeutschen S-Bahn-Netzes, für den Großraum Leipzig/Halle. Sechs neue S-Bahn Linien verbinden den mitteldeutschen Wirtschaftsraum und verkürzt die Reisezeit auf manchen Strecken um bis zu 40 Minuten. Im Artikel geht es um die Geschichte, den Bau, die Kosten, Fahrstrecke und einen möglichen zweiten Tunnel.

Die Geschichte des City-Tunnel Leipzig
Nur ein Jahr nach der Ersten, durch eine Lokomotive betriebene Eisenbahnfahrt in Deutschland, nahm man 1837 die erste Linie zwischen Leipzig und Althen in Betrieb. Bis 1859 entwickelte sich der Eisenbahnknoten Leipzig zu einem der größten und bedeutendsten Bahnnetze in Deutschland. Die Städte in der Umgebung wuchsen rasant, der Nachfrage nach dem Personen- und Gütertransport auf der Schiene war ungebrochen hoch, Leipzig benötige neue Infrastrukturen.

So vereinbarte man 1892 den Bau eines neuen zentralen Hauptbahnhofes in der Stadt. Um den Bahnhof möglichst nah an das Zentrum heran zuführen, einigte man sich schnell auf den Entwurf eines Kopfbahnhofes. Bereits damals plante man die Verbindung des neuen Hauptbahnhofes mit dem bis dato bestehenden Bayerischen Bahnhofes durch eine Untergrundbahn, mit Haltestellen unter dem Bahnhofsvorplatz und Augustusplatz.

Mit dem Baubeginn des Leipziger Hauptbahnhofes errichtete man unter den Gleisen 22 und 23 ein 710 Meter langes Teilstück als erstes Verbindungsstück zum Bayerischen Bahnhof. Die beiden folgenden Weltkriege und die Wirtschaftskrise verzögerten den Bau auf ein Neues. In den folgenden Jahrzehnten entstanden immer wieder neue Anläufe, die aufgrund der finanziellen Belastung und des technischen Aufwandes nie über die Planungsphase hinaus reichten.

Erst in den Jahren nach der Deutschen Wiedervereinigung nahm man erneute Gespräche und Planungen für einen Tunnelbau auf. In den Jahren von 1994 bis 2003 untersuchte man, plante, schrieb Baumaßnahmen aus, holte Angebote ein, überwarf sich und einigte sich schließlich auf einen Bautermin. Am 9. Juli 2003 konnte der Baubeginn des Großprojektes City-Tunnel Leipzig schlussendlich zelebriert werden.

Quelle: Freistaat Sachsen/ DB AG

Der Bau des City-Tunnel Leipzig
Die Realisierung eines solch komplexen Bauverfahrens stellt auch in den 2000er-Jahren Ingenieure und Arbeiter vor eine gewaltige Aufgabe. Der Bau eines Eisenbahntunnels, unter einer belebten Innenstadt mit Gebäuden aus dem 16. Jhd., sollte sich noch als eine wahre technische Herausforderung gestalten. Neben der eigentlichen Tunnelröhre sind weitere Überführungsbauwerke, Einfahrtsbereiche für Baumaschinen, Trogbauwerke und Kreuzungsbauwerke zu errichten gewesen.

Zu den vorbereitenden Maßnahmen gehörte auch die Verschiebung des Portikus am Bayerischen Bahnhof. Die Umsetzung war notwendig, um die darunter liegende Bahnsteighalle zu errichten. Trotz der spektakulären Verschiebung ist auf diese Weise ein erheblicher Geldbetrag eingespart worden, welcher durch den Verzicht von Spannbetonbindern in der Bahnsteighalle ermöglicht worden ist.

Startpunkt für den Tunnelbau war der Einfahrtsbereich Süd (direkt hinter dem Bayerischen Bahnhof, zwischen Kohlenstraße und Dösner Weg) im Herbst 2006. In 29 Metern tiefe ebnete sich eine Tunnelbohrmaschine (TBM) von der Firma Herrenknecht AG seinen Weg zum Hauptbahnhof. Dort angekommen wurde sie demontiert, zurück zum Bayerischen Bahnhof gezogen, von wo auch die zweite Röhre gegraben werden konnte.

Moderne Tunnelbohrmaschinen sind komplexe Konstruktionen, die neben der Bohrung auch die Verschalung der Tunnelwände übernehmen. Mithilfe eines Vakuumhebers ist ein 8-teiliger Tübbingring von 1,8 m Länge und 0,4 m Stärke an den Innenwänden der Tunnel eingebracht worden. Insgesamt sind 13.120 Tübbings mit einem Gesamtgewicht von fast 1 Millionen Tonnen in dem Leipziger City-Tunnel verbaut.

Als im Oktober 2008 die Tunnelbohrungen vollendet waren, konnten die weiteren baulichen Maßnahmen beginnen. Grundwasser-, Regenwasser-, Löschwasser und Abwasserleitungen mussten verlegt werden, Hunderte Kilometer Kabeltrassen verlegt werden, Bahnsteige und Treppenhäuser errichtet werden. Ab dem Frühjahr 2010 begannen die Arbeiten an den Gleisanlagen und Überwerfungsbauwerken.

Die feierliche Eröffnung des City-Tunnel Leipzig am 14. Dezember 2013 war nach einer vierjährigen Verspätung nicht nur von den Leipzigern sehnlichst erwartet worden. Nach der 10-jährigen Bauzeit ist der City-Tunnel mit einer Gesamtlänge von 5,3 Kilometern fertiggestellt. Eine Vision, einer unterirdischen Verbindung zwischen Hauptbahnhof und Bayerischen Bahnhof, wurde nach über 120 Jahren zur Wirklichkeit.

Quelle: Freistaat Sachsen/ DB AG

Die Kosten des City-Tunnel Leipzig
Das als Milliardengrab verschriene Bauprojekt war in Wirklichkeit keines, auch wenn man nur knapp unter dem Betrag von einer Milliarde Euro bleiben konnte. Die Gesamtkosten für das Bauprojekt City-Tunnel Leipzig betrug 960 Millionen Euro. Die Aufteilung der Kosten, bzw. die Finanzierungsanteile sind auf folgende Partner verteilt:

  • Freistaat Sachsen 495,6 Mio. EUR
  • Europäische Union (EFRE) 224,8 Mio. EUR
  • Bundesrepublik Deutschland 210 Mio. EUR
  • Deutschen Bahn AG 17,9 Mio. EUR
  • Stadt Leipzig 7,2 Mio. EUR
  • Zweckverband Nahverkehrsraum Leipzig (ZVNL) 4,2 Mio. EUR

Wie häufig bei ausgeschriebenen Großbauprojekten beschränken sich die Kosten selten auf den anfänglich kalkulierten Wert. Eine erste Kostenübersicht aus dem Jahr 1997 sah ein Gesamtvolumen von 915 Millionen DM (467 Millionen Euro) vor. Allgemeine Kostensteigerungen und technische Hürden trieben die geplanten Gesamtkosten im Jahr 2002 bereits auf 1,118 Milliarden DM (571 Millionen Euro) in die Höhe.

Mit fortlaufendem Bauprozess galt es zudem weitere Hindernisse zu bewältigen, welche zu einem Großteil zu einem Mehrkostenaufwand beitrugen. Probleme mit dem Untergrund begleiteten die Baumaßnahmen über den gesamten Projektzeitraum. Planungsänderungen, gestiegene Materialkosten und zusätzliche Sicherheitsanforderungen erschienen dem sächsischen Rechnungshof für schlüssig, bzw. waren notwendig.

Kritik am Bauvorhaben begleitete den City-Tunnel dennoch fortan. Politische Streitigkeiten und Finanzierungsdiskussionen lähmten den Baufortschritt und warfen ein negatives, mediales Licht auf das gesamte Bauvorhaben. Dennoch ist im Vergleich zu anderen Großbauprojekten eine moderate Kostensteigerung und Bauverzögerung erreicht worden. Stuttgart 21 oder der Berliner Flughafen (BER) sollten in den folgenden Jahren zu weitaus größeren Desastern werden.

Quelle: Freistaat Sachsen/ DB AG

Die neue Streckenführung des City-Tunnel Leipzig
Die schnelle Achse für Mitteldeutschland! Als eines der größten Bauvorhaben in Deutschland beendet war, erhielt der mitteldeutsche Verkehrsverbund ein neues Herzstück. Der City-Tunnel Leipzig schafft eine direkte Schienenverbindung zwischen dem Norden und Süden der Stadt. Ein zeitaufwendiges Umfahren der Innenstadt gehört der Vergangenheit an.

Insbesondere profitieren umliegende Städte und Regionen von der Zeitersparnis durch den City-Tunnel. Die Reisezeiten zwischen Halle im Norden und Markleeberg, Gaschwitz und Zwickau im Süden, verkürzen sich um bis zu 40 Minuten. Auf den innerstädtischen Linien zwischen Schkeuditz und Leipzig-Stötteritz spart man 17 Minuten und ein zusätzliches Umsteigen. Ebenfalls die Leipziger Seenlandschaft im Süden (Cospudener See, Markleeberger See) ist nun deutlich schneller zu erreichen als zuvor. (siehe Netzplan Leipziger Verkehrsbetriebe).

Neben der Fahrzeitverkürzung und der Anbindung an den mitteldeutschen Verkehrsraum sind auch touristische und zukünftige Stadtentwicklungen nicht zu verachten. Leipzig wächst und pulsiert, Wohnraum wird knapper und die Anzahl an Übernachtungen steigt von Jahr zu Jahr. Ein moderner City-Tunnel ist auch immer ein Magnet und Anziehungspunkt für Bummler von nah und fern.

Quelle: Freistaat Sachsen/ DB AG

City-Tunnel II für Leipzig?
Die zu Beginn kalkulierten Fahrgastzahlen sind erreicht worden, wodurch der City-Tunnel seine geplante Nutzungsauslastung erfüllt. Täglich strömen über 60.000 Menschen durch die Tunnel Anlage im Herzen der Stadt. Nicht zuletzt aus diesem Grund denken Leipzigs Verkehrsplaner laut über eine zweite Tunnelverbindung in Ost-West-Richtung nach.

Die geplante Streckenführung ist mit circa sieben Kilometern deutlich länger als der bisher bestehende 1,4 Kilometer lange City-Tunnel. Die geplante Route führt zwischen Plagwitz, über die Red-Bull-Arena, dem Hauptbahnhof mit Ziel Berliner Brücke und entspricht seiner Streckenführung einer Tieferlegung des Leipziger Rings. Zielsetzung ist es, die Wohngebiete im südlichen und westlichen Stadtteil besser zu erschließen.

Die demografische und wirtschaftliche Entwicklung der Stadt machen ein erneutes Großbauprojekt möglich. Die Stadt platzt aus allen Nähten und bezahlbarer Wohnraum ist häufig nur am Stadtrand oder umliegenden Städten, wie Merseburg, Zeitz, Wurzen oder Grimma zu finden. Regionen, die schon jetzt in unter 30 Minuten Fahrtzeit vom Hauptbahnhof zu erreichen sind. Entfernungen, die wie in München, Hamburg oder Berlin zum täglichen Pendlerweg gehören.

Die Planungen sind durchaus nicht unrealistisch, mit einem Planungshorizont bis 2050 könnte die Stadt Leipzig die 1-Millionen-Einwohner-Zahl erreicht haben. Seit den ersten Gedankenspielen eines City-Tunnels, bis zur Inbetriebnahme vergingen schließlich auch über 120 Jahre. Mit dem richtigen finanziellen Spielraum und einer ausreichenden Planung ist ein zweiter Tunnel vielleicht früher realisierbar, als man denkt.