Wenn Kontrolle die Freiheit zu stark einschränkt: Kann das gut gehen?

0
99

Man könnte sehr wohl, das Glücksspiel spaltet die Gesellschaft. Während es für manche ein harmloser Zeitvertreib mit etwas Nervenkitzel ist, sehen andere darin eine ernste Bedrohung mit weitreichenden Folgen. Schon seit Jahren ringt die Politik darum, wie viel Kontrolle notwendig ist und wie viel Freiheit erlaubt sein sollte. Dabei wächst der Druck durch internationale Anbieter, die die deutsche Gesetzgebung dahingehend ignorieren. Am Ende geht es um die Frage, ob der deutsche Glücksspielmarkt weiter so streng reguliert bleiben sollte oder ob es eine Lockerung braucht, damit die deutschen Spieler im legalen Umfeld bleiben. Denn aktuell treibt der deutsche Glücksspielstaatsvertrag die Spieler in eine rechtliche Grauzone.

Politik im Streit um den richtigen Kurs – aber was ist der richtige Kurs?
Die politischen Linien sind klar zu erkennen. Während die Konservativen und Teile der SPD betonen, dass die Gefahren der Spielsucht und die damit verbundenen Kosten für die Gesellschaft hoch sind, warnen liberale Stimmen hingegen davor, dass zu starke Einschränkungen das genaue Gegenteil bewirken könnten. Doch wie viele Deutsche haben ein Problem mit dem Glücksspiel? Laut den aktuellen Daten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sind es rund 430.000 Menschen in der Bundesrepublik, die ein auffälliges Spielverhalten haben. Diese Zahl unterstreicht, dass es also tatsächlich nicht um ein Randphänomen geht. Wer spielen möchte, der findet natürlich immer Möglichkeiten und wandert im Zweifel zu nicht regulierten Angeboten ab. So das Argument der Liberalen.

Für den Staat ist Glücksspiel ein zweischneidiges Schwert. Einerseits trägt der Staat natürlich die Verantwortung, Bürger vor den Folgen einer Sucht zu schützen. Andererseits fließen aber auch nicht zu unterschätzende Summen in die Haushaltskassen. Im Jahr 2023 waren es fast 6 Milliarden Euro, mit denen unter anderem Sport, Kultur und soziale Projekte finanziert wurden.

Wenn Spieler auf internationale Plattformen ausweichen und sich für Casinos ohne GGL Lizenz entscheiden, entfallen diese Einnahmen aber. Schätzungen zufolge fließt fast ein Drittel der deutschen Spieleinsätze in den Schwarzmarkt. Das bedeutet Milliardenverluste für den Fiskus und stärkt illegale Anbieter, die keinerlei Aufsicht unterliegen. Die Kritiker werfen der deutschen Regierung daher vor, mit überzogenen Regeln selbst das Abwandern ins Ausland zu fördern. Die Befürworter des deutschen Glücksspielstaatsvertrages sehen das aber anders. Im Zentrum müsse der Schutz von Familien stehen, nicht das Auffüllen der Staatskasse. Somit zeigt sich ganz klar, dass der Konflikt daher nicht nur politisch, sondern auch moralisch aufgeladen ist.

Globale Anbieter setzen nationale Gesetze unter Druck
Während Deutschland also versucht, mit dem Glücksspielstaatsvertrag klare Vorgaben zu schaffen, locken Anbieter aus Malta, Gibraltar oder Curacao Spieler mit hohen Boni und flexiblen Zahlungsmethoden an. Immer mehr deutsche Spieler orientieren sich eher an Bonusangeboten, Spielangeboten oder Zahlungsmethoden und werfen einen Blick auf die Erfahrungsberichte im Internet – gesetzliche Rahmenbedingungen spielen hier nur in den seltensten Fällen eine Rolle.

Für die Politik ist das kaum bis gar nicht zu beherrschen. Die nationalen Regeln wirken nur sehr eingeschränkt, wenn internationale Portale mühelos von überall aus erreichbar bleiben. Schließlich können mit technischen Mitteln wie IP Sperren oder Einschränkungen im Zahlungsverkehr zwar Riegel vorgeschoben werden, doch ihre Wirksamkeit ist begrenzt. Das deshalb, weil es auf der anderen Seite genauso Tools gibt, die diese Einschränkungen wieder aufheben.

Regulierung und ihr paradoxes Ergebnis
Zur Bekämpfung des problematischen Spielverhaltens setzt Deutschland auf das OASIS System. Das ist eine zentrale Sperrdatei. Spieler können sich selbst vom Glücksspiel ausschließen oder von Betreibern gesperrt werden. Hinzu kommen ein monatliches Einzahlungslimit von 1.000 Euro – natürlich plattformübergreifend -, Spielpausen (die sogenannte 5-Sekunden-Regel) sowie die Begrenzung des Einsatzes bei Slots auf 1 Euro. Live Casinos sind nicht erlaubt.

Die Befürworter des Glücksspielstaatsvertrages halten diese Maßnahmen für notwendig und auch wirksam. Studienergebnisse legen nahe, dass Selbstsperren Rückfälle verhindern können. Doch die Kritiker entgegnen, dass Spieler, die beschränkt werden, problemlos zu unregulierten Plattformen wechseln können. Dort gibt es weder Limits noch Sperren – ein durchaus paradoxes Ergebnis: Mehr Regulierung treibt Nutzer in riskantere Märkte.

Europa als Lernfeld
Andere europäische Länder zeigen aber ganz klar, dass es Alternativen gibt. Ein gutes Beispiel ist Dänemark. Das Land hat den Glücksspielmarkt geöffnet und hat ihn aber mit scharfen Schutzvorschriften unterlegt. Das Ergebnis waren hohe Steuereinnahmen und ein stabiles legales Angebot. Schweden hat sich für ein vergleichbares Modell entschieden, während die Franzosen lange Zeit die Öffnung blockierten und daher heute Probleme mit einem übermächtigen Schwarzmarkt haben.

In der Schweiz wird ein transparenteres Lizenzsystem genutzt, das von Fachleuten als effektiv eingeschätzt wird. Deutschland könnte hier also durchaus von den Erfahrungen der Nachbarn lernen.

Zukunft zwischen Freiheit und Kontrolle
Die Diskussion über das in Deutschland gültige Glücksspielrecht ist weit weg von einer Lösung. Die Fachleute fordern ein modernes Regelwerk, das den digitalen Realitäten gerecht wird. Vor allem mit Blick auf internationale Märkte oder neue Zahlungsmethoden wie Kryptowährungen. Auch die Zulassung von Live Casinos wird in diesem Zusammenhang diskutiert.

Am Ende wird es auf eine ganz klare Grundsatzentscheidung hinauslaufen: Soll der Staat weiter restriktiv gegen das Glücksspiel vorgehen und damit möglicherweise Spieler ins Ausland vertreiben oder wäre es sinnvoller, legale Anbieter stärker zu machen, um den Schwarzmarkt eindämmen zu können? Klar ist: Das bisherige System reicht nicht aus und der Balanceakt zwischen Schutz und Freiheit wird bestimmen, ob Deutschland künftig als Vorreiter dasteht oder den Anschluss verliert.