Sachsen. Mit Blaulicht und Martinshorn fuhr der sächsische Innenminister zum Busunglück auf der A9 bei Leipzig und sorgte bei manch Verkehrsteilnehmer für Kopfschütteln. Darf er das?
Nach dem schweren Busunfall auf der A9 bei Leipzig kam Kritik an der „Alarmfahrt“ des sächsischen Innenministers Armin Schuster (CDU) auf. Mehrere Verkehrsteilnehmer auf der A14 berichteten am Mittwoch gegen 12:30 Uhr über zwei hochmotorige Staatskarossen auf der A14, welche mit Blaulicht und Martinshorn in Richtung Leipzig unterwegs gewesen sein sollen.
Von „aggressiver“ Fahrweise war da die Rede. Wenig später wurden die beiden Fahrzeuge am Unglücksort bei Leipzig wieder gesichtet. Der sächsische Innenminister Armin Schuster stieg aus um sich vor Ort über die Lage zu informieren und wenig später ein paar Worte an die Presse zu richten.
Das zuständige sächsische Innenministerium erklärt die Fahrt und die Notwendigkeit wie folgt: „Selbstverständlich ist es eine vorrangige Pflicht des zuständigen Ministers schnellstmöglich und noch so lange der Einsatz läuft, sich vor Ort ein eigenes Bild zu verschaffen, um Unterstützungsmöglichkeiten der Staatsregierung abwägen zu können. Und um den vielen verschiedenen Rettern ganz menschlich für deren schwierige aber lebenswichtige Hilfe zu danken.“
Ohne Sondersignal etwas später eintreffen oder die Abstimmungen per Telefon mit den Einsatzkräften vorzunehmen, sei „bei derart großen Schadenslagen“ aber nicht möglich gewesen. Laut Straßenverkehrs-Ordnung sind von den Vorschriften dieser Verordnung die Bundeswehr, die Bundespolizei, die Feuerwehr, der Katastrophenschutz, die Polizei und der Zolldienst befreit, soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist.
Allerdings regelt § 38 Blaues Blinklicht und gelbes Blinklicht.
Darin heißt es: „Blaues Blinklicht zusammen mit dem Einsatzhorn darf nur verwendet werden, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden, eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwenden, flüchtige Personen zu verfolgen oder bedeutende Sachwerte zu erhalten.“
Kommentar: Rein rechtlich ist die Blaulichtfahrt eines Innenministers zu einem Großschadensereignis vielleicht legitim und wahrscheinlich juristische Auslegungssache. Das Schadensereignis trat kurz vor 10 Uhr ein. Gute zwei Stunden später mit hoher Geschwindigkeit nur „Gas-Bremse-Gas-Bremse“ zu nutzen, so wie es Verkehrsteilnehmer geschildert haben, wirft zumindest moralische Fragen auf. Spricht man beispielsweise mit Rettungssanitätern, welche tagtäglich mit Sondersignal unterwegs sind, so weiß man wie schnell solche Fahrten nicht nur für den Rettungswagen, sondern auch für andere Verkehrsteilnehmer gefährlich werden können. Nämlich dann wenn Verkehrsteilnehmer bei Martinshorn überfordert sind. Immer wieder sind Fahrzeuge von Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisationen in Unfälle verwickelt. Allein 2020 wurden in Sachsen 204 solcher Unfälle registriert. Muss man für Beileidsbekundungen und Händeschütteln Sondern und Wegerecht in Anspruch nehmen? Hätte man dies nicht auch Minuten später machen können? Schließlich lief der Einsatz und die Bergung bis in die Abendstunden. Hätte man zu einem Pressestatement nicht auch vor dem Innenministerium in Dresden laden können? Der Minister selbst sagte in einem Statement, dass man die Lage von oben beobachtet habe. Ein Polizeihubschrauber beobachtete das Geschehen nämlich aus der Luft. Und da konnte man sich trotz diverser Kommunikationsmöglichkeiten nicht telefonisch mit der Einsatzleitung abstimmen und die Hilfe und Unterstützung der Staatsregierung anbieten? Glücklicherweise kam es durch die Alarmfahrt zu keinen bekannten Unfällen, bei denen der Minister dann eventuell auch wieder persönlich hätte erscheinen müssen. Sören Müller