Grimma/Dresden. Der schleppende, bis teilweise gar nicht stattfindende Breitbandausbau im ländlichen Raum erhitzt derzeit die Gemüter vieler sächsischer Kommunen. Grimma´s Oberbürgermeister Matthias Berger macht sich jetzt mit einem offenen Brief Luft.
„Ich wende mich heute mit der Bitte um Unterstützung bei der Lösung eines zumindest für den ländlichen Raum existenziellen Problems an Sie. Wir alle sind sicher sprachlos und je älter, umso mehr überfordert wenn wir die technologischen Entwicklungen unserer Handys oder der allgemeinen digitalen Welt der letzten Jahrzehnte betrachten. Jeder von uns ist dabei zunehmend und das aus vielfältigsten Gründen, auf die Nutzung des Internets angewiesen. Vom Homebanking über die Informationsbeschaffung, die Bestellung von Waren, einem Homeoffice-Arbeitsplatz bis zum Buchen von Urlaubsreisen – ohne das Internet geht nichts mehr. Durch die zunehmende Bedienerfreundlichkeit sind dabei PC, Tablet, Smartphone oder das Internet allgemein auch für die ältere Generation Teil des alltäglichen Lebens.“ erklärt Berger die Kernproblematik.
Deutschland und Sachsen würden bezüglich der Breitbandversorgung für den ländlichen Raum bislang sehr planlos und nicht konstruktiv agieren. „In den Medien wird ständig durch Bund und Land der Eindruck erweckt, genügend Geld für den Breitbandausbau des ländlichen Raumes zur Verfügung zu stellen. Dies ist nicht der Fall. Schon abgesehen davon, dass es nicht sein kann, dass die Telekommunikationskonzerne Milliardengewinne einfahren und der Rest der Bevölkerung bei der Erschließung von Breitband vom Staat subventioniert werden muss, reicht das von Bund und Land bereitgestellte Geld nicht im Ansatz, um den ländlichen Raum mit Glasfaser zu versorgen.“
Daher drohe, Bergers Auffassung nach, die Abkoppelung des ländlichen Raumes. „Nach der politischen Wende bekam jeder unabhängig vom Wohnort und seinen persönlichen wirtschaftlichen Verhältnissen relativ zeitnah zu gleichen Konditionen und nahezu gleicher Qualität seinen Telefonanschluss von der Telekom zur Verfügung gestellt. Das Telefon, es konnte auch nicht anders sein, erwies sich als echte Daseinsvorsorge.“ blickt das Stadtoberhaupt zurück.
„Anders jetzt: Die Telekom wurde privatisiert und handelt ausschließlich gewinnorientiert. Die von der Politik gesetzten Rahmenbedingungen sehen vor, dass die großen, kommerziell ausgerichteten Internetversorger für sich entscheiden dürfen, wo sie ins digitale Netz investieren und ihre Leistungen anbieten. Der ländliche Raum ist für diese aufgrund seiner geringen Verdichtung natürlich mangels Gewinnaussichten nicht interessant. Nach den jetzigen Vorstellungen der Politik soll die Versorgung hier, wenn auch mit Förderung, von den Kommunen betrieben werden. Im Ergebnis würde jede Kommune für Millionenbeträge, die trotz Förderung die meisten Städte und Gemeinden finanziell überfordern dürften, unter Zuhilfenahme unterschiedlichster Technologien seinen ländlichen Raum versorgen. Das Ergebnis wäre für viel Geld eine technologische „Flickschusterei“. Die einzige zukunftsorientierte Lösung wäre eine gleichmäßige Glasfaserversorgung zu gleichen Konditionen für jedermann. Dies koordiniert durch das Land oder mindestens den Landkreis.“
Deutschland befindet sich zur Zeit im europäischen Vergleich auf einem der letzten Plätze bezüglich der Breitbandversorgung. Sachsen wiederum befindet sich innerhalb Deutschlands ebenfalls auf den hintersten Rängen. Um dies zu verändern, hat sich die Stadt Grimma mit zahlreichen sächsischen Kommunen zusammengetan und einen Aufruf an die Sächsische Staatsregierung gestartet, damit diese endlich die Breitbandversorgung als echte Daseinsvorsorge begreife und die dafür notwendigen politischen Rahmenbedingungen, auch für den ländlichen Raum schafft.
„Nach dem bekannten Sprichwort „Steter Tropfen höhlt den Stein“ möchte ich Sie bitten, dass auch Sie sich als Bürgerinnen und Bürger zur Lösung des vorgenannten Problems an die Landtags- und Bundestagsabgeordneten der Region wenden. Natürlich können Sie auch direkt mit der Sächsischen Staatskanzlei oder dem Wirtschaftsministerium Kontakt aufnehmen, um dort noch einmal die Notwendigkeit der Breitbandversorgung zu unterstreichen. Sollte der ländliche Raum weiterhin breitbandmäßig abgekoppelt werden, drohen diesem irreparable Schäden für die nächsten Jahrzehnte.“