Ein Tattoo für die Ewigkeit

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Foto: Detlef Rohde

Prösitz. Wozu lebt man, wenn der Wind hinter unserm Schuh schon die letzte Spur von uns wegträgt? Diese Worte stammen von Stefan Zweig und beschreiben in etwa das aktuelle Werk von Franziska Nast, die derzeit mit ihrem Sohn Julius im Künstlergut Prösitz wohnt und arbeitet.

Die junge Hamburgerin gestaltet derzeit für die Berliner Bestattungsszene und die Vereinigung deathlab.de eine Urne. Allerdings ist es kein gewöhnliches Aschebehältnis, das im traditionell tristem Schwarz, tönern und vasenartig seinen schmucklosen Charme ausstrahlt. Für Franziska Nast soll das Gefäß, in dem der Verstorbene seinen letzten Platz nach dem Leben findet, etwas Besonderes sein.

Dabei hatte Franziska den Tod und die Frage, was danach kommt nicht unbedingt als Lebensthema auf dem Schirm. Ihr Werdegang verlief und verläuft so wie bei den meisten jungen Menschen lebensbejahend. Das Thema mit dem Tod und dem Danach ergab sich fast ungewollt aber fast schon logischerweise aus ihrem ersten erlernten Beruf.

„Ich habe zuerst das Tätowieren gelernt. Herbert Hoffmann (gest. 2010), einer der ganz großen war mein Lehrmeister, eines meiner Tattoos schmückte auch seinen Körper,“ sagt Franziska Nast nicht ohne einen gewissen Stolz. „Und schon damals keimte in mir die Frage, was passiert mit den Kunstwerken am Körper nach dem Tod? Menschen die sich Tattoos stechen lassen, wollen sie meist für immer haben,“ und blickt dabei auf einen tätowierten Diamanten auf ihrem Finger.

Nachdenklich streichelt sie über die Urne, die vor ihr steht und denkt laut an ihren Lehrmeister Hoffmann, der so wie sie sagt, zu jedem seiner Tattoos eine Geschichte erzählen konnte. Dann blitzen ihre Augen mit einem Lächeln auf. „Menschen sind so wie viele Tattoos einzigartig, warum soll dieses Individuelle nach dem Tod enden? In Berlin und anderen Großstädten werden immer mehr Menschen nach dem Tod kremiert und die Urnen sind wie in südlichen Ländern auch in Kolumbarien (Kolumbarium – eine Art Regal mit abgeschlossenen Fronten – meist aus Glas für jeden sichtbar) zu sehen. Warum darf eine Urne dann nicht auch mit individuellen Motiven gestaltet und für den Betrachter schön sein?“

Franziska Nast genießt die gestalterische Arbeit mit der menschlichen Existenz nach dem Tod. Der erste, der ihre Arbeit sehen darf, ist ihr dreieinhalbjähriger Sohn Julius. Mit großem Interesse verfolgt er die Arbeitsschritte seiner Mutter, die eine Technik entwickelt hat mit der sie wie in einem Tattoostudio die Aschebehältnisse mit Motiven verziert. Eine Idee und Entwicklung die viele Jahre gedauert hat.

Bevor Franziska Nast sich mit Urnen beschäftigte, sammelte sie bei Ausstellungen erste Erfahrungen darin, wie man steinerne Säulen oder Wände tätowiert. Menschen kommen nur noch selten in den Genuss ihrer Tattookunst. Sie mag es nicht Tattoos zu stechen die der Kunde sich auf Seite vier im Katalog 0815 ausgesucht hat. Sie mag es eher ungewöhnlich und frei. Und mit ihrer Kunst gelingt ihr noch ein weiterer und wesentlich wichtigerer Schritt. Dem Betrachter der Kunstwerke wird schnell wieder die eigene Endlichkeit ins Bewusstsein gerufen, die nun einmal die Klausel überhaupt in unserem Lebensvertrag ist. Beim Anblick dieser Vertragsbedingung sollte auch die Frage gestattet sein, warum man nicht schon zu Lebzeiten über seinen eigenen Verbleib nach seinem Ableben bestimmen soll? Zumindest sollte der Gesellschaft die Möglichkeit gegeben werden das Thema Tod aus der Tabuzone zurück ins Leben zu holen.

Was eignet sich dazu besser, als jemandem, der zu Lebzeiten Tattoos liebte, nicht auch ein Tattoo für die Ewigkeit zu schenken?

Artikelautor: Detlef Rohde