Biberkartierung abgeschlossen

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Biber - Alttiere Foto: Sven Mรถhring

Landkreis Leipzig. Am 24.05.2022 standen die Ergebnisse des aktuellen Bibermonitorings im Landkreis Leipzig im Mittelpunkt.

Sven Mรถhring von der unteren Naturschutzbehรถrde (uNB) bedankte sich zu Beginn der Veranstaltung bei den Biberbetreuern und allen 24 Personen, die im vergangenen Winter an der Erfassung der Biberbestรคnde mitgewirkt haben. Da inzwischen „Meister Bockert“ in fast alle FlieรŸgewรคssersysteme des Landkreises vorgedrungen ist bzw. mit seinem Vorkommen รผberall gerechnet werden muss, ist die Zahl der zu kontrollierenden Gewรคsser/Gewรคsserabschnitte auf eine fast unglaubliche Zahl angewachsen. So verfรผgt der Landkreis Leipzig auf seinen 1.600 kmยฒ Flรคche รผber rund 1.900 km FlieรŸgewรคsser! Davon unterliegen 272 km als Gewรคsser I. Ordnung der Unterhaltungspflicht der Landestalsperrenverwaltung und 1.425 km als Gewรคsser II. Ordnung der der Kommunen. Ein GroรŸteil dieser FlieรŸgewรคsser ist potenzielles Biberhabitat. Denn: Unser grรถรŸtes heimisches Nagetier gestaltet sich seinen Lebensraum selbst. Es ist in der Lage, auch aus einem unscheinbaren, sich geradlinig und strukturlos durch die Agrarlandschaft ziehenden Graben, einen mรคandrierenden, arten- und strukturreichen Biotop zu formen. Daher ist die uNB zwingend auf die Mithilfe von engagierten Biberbetreuern und Gewรคhrspersonen angewiesen, welche Informationen zu Bibervorkommen erfassen und melden. Nur so war es auch in der letzten Kartiersaison mรถglich, dass alle bisher bekannten 180 Biberreviere mindestens einmal begangen und Aussagen zur mรถglichen Prรคsenz der Tiere gemacht wurden. Alle bei der uNB eingehenden Daten werden zum einen in der Artdatenbank (MultiBase) gespeichert, als auch statistisch ausgewertet und aufgearbeitet. Inzwischen sind mehr als 15.000 Datensรคtze allein zu Biberbeobachtungen/-nachweisen erfasst und kรถnnen bei Bedarf abgerufen werden. Fรผr die tรคgliche Arbeit der uNB sind vor allem Informationen wie Anzahl der Tiere, Reproduktion, dem Bautyp, vorhandene Dรคmme und ggf. deren Auswirkungen (Vernรคssungen etc.) oder andere Konflikte/Konfliktpotenziale von Bedeutung. Ein Erfassungsumfang, der nur รผber den engagierten ehrenamtlichen Naturschutz abgedeckt und realisiert werden kann. ย Eine groรŸe Hilfe bei der Ermittlung von Bestandszahlen stellen seit fast 10 Jahren Wildkameras dar. Diese kommen in ausgewรคhlten Biberrevieren zum Einsatz und kรถnnen nรคchtelanges Ansitzen und Beobachten ersparen und liefern verlรคssliche Aussagen.

Nachdem am 19.01.2019 der erste Nachweis einer Biberansiedlung an der WeiรŸen Elster nahe der Landesgrenze zu Sachsen-Anhalt bekannt wurde, hat die Ausbreitung enorm an Fahrt aufgenommen. Inzwischen existieren im Sรผdraum von Leipzig mindestens 16 Biberreviere – Tendenz steigend. Aufgrund der Fรคhigkeit der Biber, auch grรถรŸere Gewรคsserdistanzen zu รผberbrรผcken und sogenannte Satellitenvorkommen zu grรผnden, muss inzwischen in allen FlieรŸgewรคssern (und den daran angeschlossenen Stillgewรคssern) mit dem Auftauchen der Tiere gerechnet werden. Bestes Beispiel hierfรผr ist die รผberraschende Ansiedlung im „Stauweiher Salzbach“, einem Nebenzulauf im nรคheren Quellgebiet der Eula. Das bisher nรคchstgelegene bekannte Bibervorkommen liegt 45 FlieรŸgewรคsserkilometer unterhalb dieses Vorkommens. Auch das einjรคhrige Intermezzo mindestens eines Bibers im „Mรผhlteich PomรŸen“ (2017) passt in dieses Szenario. Hier waren >25 FlieรŸgewรคsserkilometer am Stรผck รผberbrรผckt worden.

รœber die PleiรŸe, Schnauder oder WeiรŸe Elster haben die Biber inzwischen die angrenzenden Bundeslรคnder Sachsen-Anhalt und Thรผringen erreicht und setzen die Wiederbesiedlung ihrer vor mehr als 150 Jahren verlorenen Habitate erfolgreich fort.

Im Landkreis Leipzig konnten im letzten Winter 120 besetzte Reviere kartiert werden. Hierbei wurden 8x Altwรคsser, 52x Flachlandbรคche, 26x Seen/Teiche und 34x Flรผsse besiedelt (s. Tabelle in Download). Im Vergleich zum Vorjahr war ein leichter Anstieg (+7 Reviere) zu verzeichnen. Im traditionellen „Kern“gebiet der Biber – dem Einzugsgebiet der Mulden – blieb die Revierzahl jedoch konstant. Der Zuwachs ist vor allem der weiteren Ausbreitung im Sรผdraum zu verdanken, wo neue Reviere erschlossen wurden.

Auch wenn es auf den ersten Blick nicht auffรคllt: Es herrscht eine hohe Dynamik, was die Aufgabe, das Wieder-/Neubesetzen von Revieren angeht. Durchschnittlich werden jedes Jahr 15 Reviere aus unterschiedlichen Grรผnden aufgegeben und (die letzten 8 Jahre betrachtet) 22 neu bzw. wiederbesetzt (siehe Grafik im Downloadbereich).

Die Wahl des Bautyps, also ob Knรผppelburg, Mittel- oder Erdbau ist u.a. stark vom Uferprofil abhรคngig. So รผberwiegen in den Flussrevieren Erdbaue, welche oft in hรคufig vorhandene Steilufer oder unter Wurzelรผberhรคnge gegraben werden. Mittelbaue, welche vor allem bei zu geringer Erdรผberdeckung aus Erdbauen entwickelt werden, kommen dagegen an Bรคchen und Stillgewรคssern vor. Der Bau einer „klassischen“ Knรผppelburg, d.h. freistehend errichtet, ist nur selten zu beobachten. In der vergangenen Kartiersaison wurden lediglich 6 solcher Bauwerke registriert (siehe Tabelle im Download).

Schwierig ist es, eine erfolgreiche Reproduktion nachzuweisen. Da die Biber vor allem dรคmmerungs- und nachtaktiv sind, ist der Sichtnachweis von Nachwuchs nur unter erschwerten Bedingungen mรถglich. Langes (oftmals auch vergebliches) Ansitzen im Biberrevier, dabei gut „unterhalten“ von blutsaugenden Insekten, war frรผher hierfรผr notwendig, um verlรคssliche Informationen darรผber zu erhalten. Heute helfen Wildkameras, diese und andere Fragen komfortabel zu klรคren (s. Foto rechts). ย Erfreulicherweise konnten in 28 Revieren Jungtiere beobachtet oder durch andere Hinweise eindeutig nachgewiesen werden.

Dennoch ist das Zรคhlen der im Revier anwesenden Biber mit Schwierigkeiten verbunden, so dass fรผr den Gesamtbestand nur eine Schรคtzung abgegeben werden kann. Fรผr den Landkreis Leipzig bedeutet dies, dass dieser aktuell 244 bis 321 Tiere beherbergt. In 65 Revieren lebten Familien mit mindestens einem Jungtier. Paare ohne Jungtiernachweis wurden in 43 Revieren registriert und 12x gelang nur der Nachweis von Einzeltieren. ย Erfreulich, dass auch im Sรผdraum mindestens 4 Paare erfolgreich Nachwuchs aufzogen. In zwei weiteren Revieren bestand der Verdacht auf Reproduktion. Die durchschnittliche FamiliengrรถรŸe aller besetzten Reviere lag im gesamten Landkreis Leipzig bei 2,65 Tieren/Revier. Der Sรผdraum rangierte mit 2,45 nur knapp darunter.

Wo Biber geboren werden, sterben natรผrlich auch Biber. So fallen jedes Jahr mehrere Tiere an, welche (so es denn ihr Zustand noch zulรคsst) geborgen und an der Universitรคt Leipzig, Sektion Lebenswissenschaften durch Dipl. Biol. Ronny Wolf untersucht werden. Seit Juni vergangenen Jahres wurden 6 Tiere gefunden, wovon 2 durch Kollisionen mit Kfz ums Leben kamen.

Da Biber als Landschaftsgestalter keine Rรผcksicht auf menschliche Belange nehmen, kommt es immer wieder zu Konflikten, welche es zu lรถsen gilt. รœberstaute Ackerflรคchen, untergrabene Bรถschungen mit darรผber liegender Infrastruktur, angefressene/gefรคllt Gehรถlze im Siedlungsbereich oder Einstau von Ablassbauwerken sind geeignet, dass Betroffene nicht gut auf den emsigen Nager zu sprechen sind. Daher ist es vor allem Aufgabe der uNB, mit Betroffenen ins Gesprรคch zu kommen und fรผr beide Seiten akzeptable Lรถsungen zu finden.

Die Bilanz der durch Biber verursachten „Schรคden“ war รผberschaubar. So wurde z.B. eine ca. 1 ha umfassende Wiesenflรคche eingestaut oder das Ablaufbauwerk eines Fischteiches regelmรครŸig eingestaut. Der Einstau von Infrastruktur konnte durch (behรถrdlich genehmigte) ร–ffnung eines Biberdammes schnell behoben werden. Aktuell besteht in 14 Biberrevieren ein Konfliktpotenzial, welchem aber durch zumutbare und meist schnell umsetzbare MaรŸnahmen (Dammabtrag, Gehรถlzsicherung, Dammdrainage, Ufersicherung) begegnet werden kann.