Grimma/Colditz/Rech. In einem Beitrag mรถchte ich euch grob schildern was hier passiert ist und wie ihr helfen kรถnnt.
Gleich vorweg, bevor wieder irgendeiner sich aufregt, das hier ist jetzt kein journalistischer Qualitรคtsbeitrag sondern ein subjektiver Eindruck.
Wir, also Kameraden des Grimmaer Bauhofs, der Feuerwehren aus Mutzschen, Schkortitz, Colditz, Tanndorf und Zschadrass sind seit Dienstag hier im Einsatz. Die Gemeinden aus Grimma und Colditz hatten ja Helfer entsandt (Wurde ja auch hier berichtet). Als wir hier eintrafen lรถsten wir erste Krรคfte vor Ort ab, welche dann nach Hause gefahren sind. Als erstes konnten wir in Ehlingen helfen, einem kleinen Nebenort von Ahrweiler. Pumpen, Sperrmรผll rรคumen Schlamm schippen, ja das Ganze was wir 2002 und 2013 erlebt haben wiederholt sich auch hier. Mittwoch zogen wir dann weiter nach Rech.
Rech ist eigentlich ein idyllischer Ort in der Eifel mit einer berรผhmten Weinkultur. Was wir hier gesehen haben รผbertrifft bei Weitem Alles was wir bisher erlebt haben. 62 Brรผcken sollen entlang der Ahr zerstรถrt sein. Dutzende Menschen sollen immer noch vermisst sein, ja das wussten wir aus den Medien aber vor Ort ist das alles noch viel emotionaler oder besser gesagt greifbarer.
Die Menschen hier sind unglaublich dankbar fรผr das was wir hier tun. Dutzende Helfer und Einsatzkrรคfte, egal ob Bundeswehr, Abschlepper, Landwirte, Polizei, DRK, THW oder Feuerwehr sind vor Ort und retten was zu retten ist. Aktuell sind wir Einheiten aus unserem Landkreis unterstellt die dort in einem Abschnitt die Einsatzleitung haben, darunter Bennewitz, Wurzen, Thallwitz, Altenbach oder Deuben und wahrscheinlich noch Weitere die ich hier vielleicht vergessen habe. Gestern waren auch Nils Adam (Kreisbrandmeister) und Steffen Kunze (Brandschutzbehรถrde Grimma und stellv. Kreisbrandmeister)vor Ort um sich ein Lagebild zu erstellen. Hier fehlen ganze Hรคuser, man kann ja schon sagen Straรenzรผge. Etwa einen Kilometer weiter wird noch nach Todesopfern gesucht.
Jeden Tag fliegen Hubschrauber der Bundeswehr noch Gerรคtschaften ein, Panzer sind unterwegs, Panzer und Bundeswehr bauen neue Brรผcken um abgeschnittene Ortschaften oder Ortsteile zu erreichen. Es ist der Wahnsinn und hier hรถre ich jetzt auch erstmal auf mit schreiben und ergรคnze das hier die Tage. Also immer mal rein schauen lohnt sich.ย (Bin รผbrigens als Kamerad der FF Mutzschen mit vor Ort.) Danke an die Stadtverwaltungen Grimma und Colditz oder auch den Landkreis. die uns hier voll unterstรผtzten wenn Nรถte und Fragen sind. Ach eigentlich muss man hier noch viel mehr erwรคhnen. Die Zusammenarbeit hier untereinander ist einfach toll. Donnerstag und Freitag unterstรผtzten uns dann Kameraden aus Pegau und Groitzsch zusรคtzlich.
Zu einer Groรbaustelle fรผr uns wurde eine Bรคckerei in der im hinteren Teil eine internationale Krippenausstellung steht. Die Besitzer haben wir nicht zu Gesicht bekommen und so richtig wissen wir auch nicht warum, nur so viel, die beiden รคlteren Herren sollen wohl am Leben sein und das war die Wichtigste Information. Engagierte Helfer nahmen sich dem Grundstรผck an und beseitigten den Schlamm und Sperrmรผll gemeinsam mit uns. So wie in jedem anderen Grundstรผck in diesem Ort, waren sรคmtliche Kellerrรคume geflutet und ca. 30 cm Schlammschicht abzutragen. In einem Keller war zusรคtzlich noch Heizรถl ausgelaufen. Der Gestank war kaum zu ertragen.

Im Ort selbst wurde weiter an einem Minimum an Infrastruktur gearbeitet. Zufahrten wurden aufgeschรผttet, eine Straรe fรผr schwere Maschinen angelegt. Die enormen Mรผllmassen mรผssen ja irgendwie raus. Dafรผr wurden in der Umgebung gewaltige Deponien angelegt. Man darf nicht vergessen, so wie in Rech sieht es in vielen Orten der Ahr aus.
Gleich nebenan liegt der Ort Dernau. In Dernau sieht es genauso aus, hier starben mindestens 16 Menschen und vermutlich kennt sich dort jeder. Auch hier hat die Flutwelle massive Schรคden angerichtet. รber 60 Brรผcken wurden entlang der Ahr entweder zerstรถrt oder schwer beschรคdigt. Es wird wohl Jahre dauern bis hier einigermaรen wieder von einer normalen Infrastruktur gesprochen werden kann. Dazu gehรถren auch Strom/Abwasser/Trinkwasser oder Telekommunikation.

Am Freitag erhielten wir dann einen Spezialauftrag. Eine seit Tagen vor sich hin gammelnde tote Kuh musste eingesalzen und abgeplant werden. Ein Oberleutnant sollte sich seit drei Tagen darum kรผmmern um die Seuchengefahr zu bannen. Diese Kuh war bereits extrem aufgeblรคht und drohte explosionsartig aufzuplatzen. Der Gestank war entsprechend bestialisch. Der Soldat erzรคhlte uns, dass hier schon etliche Helfer und Fachleute das Ganze begutachtet hรคtten aber alle abgelehnt haben. Wir รผberlegten uns einen Plan und los ging es. Gemeinsam mit einem mutigen Baggerfahrer den wir ansprachen lรถsten unsere Jungs das Problem. Der Soldat war den Jungs aus Sachsen sehr sehr dankbar.

Nachmittags ging es dann weiter die letzten Keller in der Bรคckerei auszupumpen und unser Team war nach den Tagen langsam auch an sein Grenzen gekommen. Nicht nur die kรถrperliche Arbeit von frรผh bis abends schlauchte.
Das was man dort erlebt bleibt im Kopf und die gut 30Grad taten ihr รbriges. Schlussendlich konnten wir Freitagnachmittag unsere „Baustelle“ abschlieรen und der Einsatzleitung vor Ort (Die waren รผbrigens auch aus unserem Landkreis) als erledigt melden.
Ein letztes Mal verlieรen wir den Ort der binnen weniger Minuten einfach fรผr immer verรคndert wurde. Mittlerweile war es vor Ort so trocken und staubig geworden, dass die enge Zufahrtsstraรe nach Rech ja fast schon im Blindflug bewรคltigt werden musste.
An einem Ausichtpunkt hielten wir nochmal an. Von dort konnten wir dieses malerische Tal mit der Schneise der Verwรผstung nochmal von oben betrachten. Es war irgendwie so unwirklich.
Was wir uns auch fragten: Was wird wohl aus den Winzern? Gerade Rech und Dernau sind bekannte Weinanbaugebiete und viele der Pflanzen sind mit den Fluten mitgerissen worden oder Anbauhรคnge schwer beschรคdigt worden. Viele Fragen und kaum Antworten. Mittendrin war dann auf einmal ein Agrarflieger mit seinem Hubschrauber und drehte spielerisch seine Runden รผber die noch vorhandenen Weinanbau-Hรคnge um die Pflanzen vermutlich mit Pflanzenschutz zu behandeln. Es geht wohl doch irgendwie weiter.
Wir nutzten aber die Gelegenheit mit unseren Colditzer Team ein Gruppenfoto aufzunehmen.
Am Samstag traten wir dann die gemeinsame Heimreise an. Irgendwie waren alle etwas Nachdenklicher als auf der Hinfahrt. Was haben wir fรผr uns aus diesem Einsatz mitgenommen, fragt sich sicher der Ein oder Andere? Vor Ort hat die Zusammenarbeit mit der Einsatzleitung (Kameraden aus Bennewitz/Wurzen/Thallwitz/Altenbach) wirklich gut funktioniert. Die Stabsarbeit von ganz oben war aber in vielen Bereichen leider als Katastrophe in der Katastrophe zu betrachten, zumindest haben wir das viel zu oft vor Ort gehรถrt.
Angeforderte Spezialtechnik in Form beispielsweise nur zweier Fahrzeuge ging nicht, da vom Nรผrburgring nur Zugweise verschickt werde. Wรคre ein Zug, bestehend aus etlichen Fahrzeugen gekommen, hรคtte es noch weniger Platz fรผr die Schuttberรคumung bedeutet und viele herumstehende Einsatzfahrzeuge die an anderer Stelle vielleicht besser eingesetzt werden kรถnnen. Aber das ist nur ein kleines Beispiel. Es wurden auch Rettungswagen abgezogen da Dienstzeiten รผberschritten wurden aber ohne Ablรถse. Mancherorts kam es deshalb zu dramatischen Szenen weil auf einmal Notรคrzte sich per Helikopter abseilen um Menschen zu helfen weil der Regelrettungsdienst ja aufgrund verstopfter Straรen รผberhaupt nicht durchkam.ย Solche Dinge haben wir vor Ort immer wieder gehรถrt. Offenbar fehlte es an richtigen „Machern“. Man muss fairerweise aber auch sagen, die schiere Grรถรe dieser Katastrophe ist aber auch in kaum einem Planspiel vorab durch planbar. Dort arbeiten auch nur Menschen.
Wir haben viel Dankbarkeit erfahren, emotionale Dรคmme gebrochen, den Menschen mit unserem sรคchsischen Dialekt ab und an auch wieder ein Lรคcheln aus den verheulten Gesichtern hervorgelockt. Natรผrlich konnten wir nicht jedem vor Ort helfen aber das war, so glaube ich, auch gar nicht notwendig, denn nach der Flutwelle kam die Helferflut. Genau das ist das was uns alle verbindet, egal ob West oder Ost, egal ob Feuerwehr oder THW, egal ob freiwilliger Helfer oder bezahlter Helfer. Die Solidaritรคt verbindet uns und das ist ein schรถner Grundpfeiler fรผr den Wiederaufbau, ganz bestimmt. Sรถren Mรผller
