Rückkehr der Wildkatze: Erster Luchsnachwuchs in Sachsen seit 300 Jahren

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Luchskatze Alva mit einem ihrer beiden Jungtiere (© Archiv Naturschutz LfULG/Wildkamera, Ronny Oehme)

Sachsen. Im Westerzgebirge wurden erstmals wieder Luchsjunge geboren – ein Meilenstein für den Artenschutz und das Wiederansiedlungsprojekt »RELynx Sachsen«.

Ein leises Rascheln im Unterholz, ein Schatten im Mondlicht – und dann das sensationelle Bild: Auf den Aufnahmen einer Fotofalle im Westerzgebirge ist Luchsin Alva mit zwei Jungtieren zu sehen. Zum ersten Mal seit fast 300 Jahren gibt es wieder Luchsnachwuchs in Sachsen. Das teilte das Sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) am Donnerstag in Dresden mit.

Das Team des Wiederansiedlungsprojekts »RELynx Sachsen« war überwältigt, als es die Bilder sichtete. „Wir konnten es kaum glauben“, hieß es aus dem Projektbüro. Die Luchsin, die erst im März 2024 im Eibenstocker Forst ausgewildert worden war, hat sich offenbar erfolgreich eingelebt – und sogar Nachwuchs bekommen.

Ein Zeichen für ein intaktes Ökosystem
Das Ereignis gilt als ökologischer Durchbruch. Nur ein Jahr nach der Etablierung der ersten ausgewilderten Tiere zeigt sich, dass das Erzgebirge den streng geschützten Raubkatzen einen geeigneten Lebensraum bietet. „Der Luchs fühlt sich hier wohl“, heißt es vom LfULG. Die Wälder des Westerzgebirges bieten ausreichend Rückzugsräume und Wildbestände – ideale Bedingungen für die scheue Tierart.

Als Vater der Jungtiere gilt mit hoher Wahrscheinlichkeit Luchsmännchen Chapo, das ebenfalls 2024 aus dem Tiergarten Nürnberg ausgewildert wurde. GPS-Daten zeigten, dass sich Alva und Chapo Anfang April 2025 für mehrere Tage gemeinsam in Alvas Revier aufhielten – ein spätes, aber offenbar fruchtbares Treffen. Besonders bemerkenswert: Chapo war zu diesem Zeitpunkt erst zwei Jahre alt und damit gerade an der Schwelle zur Geschlechtsreife.

Schweizer Erfahrung im sächsischen Wald
Alva stammt ursprünglich aus dem Schweizer Jura, wo sie bereits Jungtiere aufgezogen hat. Diese Erfahrung dürfte ihr beim erneuten Muttersein im Erzgebirge zugutekommen. Die Jungen lernen in den ersten zehn Lebensmonaten alles von ihrer Mutter – von der Jagdtechnik bis zum Verhalten im Revier.

Luchsmännchen beteiligen sich dagegen nicht an der Aufzucht. Nach einigen Monaten begleiten die Jungtiere ihre Mutter zu erlegter Beute und beginnen bald, selbst zu jagen. Doch der Weg in die Selbstständigkeit ist gefährlich: Nur etwa die Hälfte aller Jungluchse erreicht das zweite Lebensjahr.

Das Team von RELynx Sachsen will den Nachwuchs in den kommenden Monaten weiter über Wildkameras beobachten. „Man braucht Geduld“, sagen die Forscher. „Ein Luchsrevier kann mehr als 100 Quadratkilometer groß sein – manchmal dauert es Wochen, bis sich die Tiere wieder zeigen.“

Hoffnung für den genetischen Austausch
Das Projekt »RELynx Sachsen« verfolgt ein ehrgeiziges Ziel: Im Erzgebirge soll eine stabile Luchspopulation entstehen, die als Verbindungsglied zwischen den bereits existierenden Beständen im Bayerischen Wald, im Harz und in den Karpaten fungiert. Nur mit eigenem Nachwuchs kann sich die Population langfristig selbst erhalten und zur genetischen Vielfalt der Art beitragen – ein entscheidender Faktor bei den bislang geringen Luchszahlen in Deutschland.

Eine Rückkehr mit Geschichte
Die Rückkehr des Luchses nach Sachsen ist auch eine historische Wiedergutmachung. Vor rund 300 Jahren war die Wildkatze in der Region ausgerottet worden. An den letzten nachweislich erlegten Luchs erinnert heute ein Gedenkstein in der Sächsischen Schweiz – datiert auf den 3. April 1743. Nun, fast drei Jahrhunderte später, ist das Symboltier der Wildnis zurück – und bringt neues Leben in die sächsischen Wälder.