Grimma/Brandis/Mutzschen/Naunhof. Es sind die schlimmen Momente, die oft im Kopf hängen bleiben. Erst kürzlich kam es wieder zu einem tödlichen Unfall auf der Autobahn BAB 14 bei dem ein Mensch auf tragischer Art und Weise ums Leben kam. Nicht nur für die Angehörigen ist die Verarbeitung dieser Schicksalsschläge mit enormen Belastungen verbunden, auch die eingesetzten Kräfte von Polizei, Rettungsdienst und Feuerwehr vergessen diese Bilder manchmal nur schwer. Wie Einsatzkräfte mit dem Erlebten umgehen, damit haben wir uns beschäftigt.
Um es gleich vorweg zunehmen, ein Allheilmittel gibt es nicht und Unterschiede zwischen beruflicher Einsatzkraft und freiwilliger Einsatzkraft sind doch größer als wir ursprünglich dachten.
Wir haben im Zuge der Recherche mit den freiwilligen Feuerwehren gesprochen, welche insbesondere für die Autobahn A14 zuständig sind, um uns ein Bild zu machen wie Schicksalsschläge bei den ehrenamtlichen Helfern verarbeitet werden und auch, stellvertretend für die beruflichen Einsatzkräfte, mit der Polizei.
Ein Einsatz beginnt für die Einsatzkräfte in der Regel mit der Alarmierung, die Informationen sind dabei allerdings oft spärlich. „Außerdem kommt es vor, dass sich die Lage vor Ort anders entwickelt als ursprünglich gemeldet“ erklärt Markus Beiler, Wehrleiter der Mutzschener Feuerwehr. „Wenn wir bereits in der Alarmmeldung eingeklemmte Personen haben, dann gehen ohnehin meist die erfahrenen Kameraden schon im Fahrzeug auf die Positionen welche die Angriffspositionen an der Einsatzstelle bilden.“ schildert Thomas Knoblich, Pressesprecher der Grimmaer Feuerwehr.
„Auch wenn sich die Lage vor Ort anders ergibt als in der Alarmierung, werden die Positionen vor Ort getauscht, damit wirklich nur Personen am verunglückten Fahrzeug arbeiten, die sich das auch körperlich und seelisch zutrauen.“ erklärt uns Lars Schuhmann, stellvertretender Wehrleiter der Feuerwehr Naunhof. „Da gibt es auch bei uns keine Diskussionen wenn sich gerade die jungen Kameraden zurückhalten.“ gibt Alexander Kühn, Pressesprecher der Brandiser Feuerwehr zu verstehen.
„Am Einsatzort gibt es viele Aufgaben die erledigt werden müssen, Absicherung, Löschbereitschaft herstellen oder sich auch um Ersthelfer kümmern, niemand muss am Unfallwrack arbeiten wenn er es sich nicht zutraut, dafür haben wir zum Glück genügend Personal um hier auf entsprechende Erfahrung zurückgreifen zu können“ schildert Thomas Knoblich aus Sicht der Grimmaer Wehr weiter.
„Man muss immer bedenken, wir können für den Unfall nichts! Wir kommen um zu helfen und arbeiten den Einsatz ab, funktionieren quasi vor Ort, auch wenn das komisch klingt, dass darüber Nachdenken beginnt meist erst nach dem Einsatz“, gibt Markus Beiler zu Bedenken.
In allen vier Wehren beginnt dann die Aufarbeitung der Geschehnisse direkt nach dem Einsatz doch auch in unterschiedlicher Weise. So sind die persönlichen Gespräche untereinander oft die größte Hilfe und spiegelt sich in allen Wehren so ab. In Mutzschen, Brandis und Naunhof legt man besonderen Wert darauf, sich nach dem Einsatz in einer lockeren Runde einzufinden um den Einsatz nochmal zu reflektieren und aufzuarbeiten. „Jeder Kamerad arbeitet das Erlebte und die damitverbundenen Bilder von der Einsatzstelle auf seiner Art und Weise auf, dies äußert sich bei der Mehrzahl der Kameraden in einsatzbezogenen Gesprächen. Es gibt aber auch vereinzelt Kameraden die sich das Erlebte nicht gleich anmerken lassen, weil sie möglicherweise stark sein wollen oder eher diese Dinge in sich hinein fressen“, schildert Alexander Kühn.
Für die Naunhofer Wehrleitung ist das eine gute Möglichkeit um die individuelle Verarbeitung solcher Ereignisse der eigenen Kameraden einschätzen zu können: „Hier helfen uns die Gespräche um Auffälligkeiten zu bemerken, um auf die Kameraden noch einmal persönlich zugehen zu können.“ Bei Einsätzen mit Todesfolge geht auch immer eine Unfallmeldung an die Unfallkasse raus, denn hier muss man immer damit rechnen, dass im Nachgang seelische Probleme auftreten können.
In Grimma ist es ein wenig anders, die Grimmaer Kameraden sind mit Abstand zu den befragten Wehren, viel öfter im Einsatz. „Bei uns selbst reicht oftmals das Auswerten untereinander gleich nach dem Einsatz und wir haben, durch die hohe Einsatzhäufigkeit, schon eine gewisse professionelle Sicht auf die Dinge.“ meint Thomas Knoblich. „Wir sprechen diese Einsätze hauptsächlich noch einmal zum nächsten Ausbildungsdienst an und bieten den Kameraden persönliche Gespräche an“. Auch in den anderen Wehren wird niemand alleine gelassen und entsprechend Hilfe angeboten.
Sind solche Gespräche nicht ausreichend, werden in den Wehren Notfallseelsorger oder auch die örtlichen Pfarrer aktiv. Hierzu bietet auch der Kreisfeuerwehrverband Rat und Unterstützung an und empfiehlt auch entsprechende Gesprächsrunden innerhalb der Wehren um das Erlebte zu verarbeiten. „Wenn das nicht reicht gibt es auf Landkreisebene auch das Kriseninterventionsteam, welches speziell auf solche Dinge ausgebildet ist. Viele ehrenamtliche Notfallseelsorger sind selbst in einer Feuerwehr aktiv und können dementsprechend auch ganz anders mit den Kameraden sprechen.“ meint Mike Köhler, Pressesprecher des Kreisfeuerwehrverbandes.
Nicht nur die freiwilligen Feuerwehren müssen das Erlebte verarbeiten sondern auch die beruflichen Kräfte. Andreas Loepki, Pressesprecher der Polizeidirektion Leipzig schilderte uns seine Sicht der Dinge:
„Polizeibeamte und auch Rettungsdienstkräfte sind berufsbedingt viel häufiger mit Belastungssituationen konfrontiert, als andere Berufsgruppen. Mithin werden bestimmte psych. Phänomene (z. B. posttraumatische Belastungsreaktionen) schon im Rahmen der Ausbildung thematisiert, denn Vorsorge beginnt schon in der geschaffenen Möglichkeit, solche Phänomene selbst oder bei anderen erkennen zu können.“
Damit gar nicht erst akute Krankheitsbilder auftreten, haben die Bediensteten die Möglichkeit, sich an die Polizeiseelsorge zu wenden, welche auch Kontakte zu anderen Betreuungsträgern vermitteln kann. Ähnliches wird auch bei den Rettungsdiensten praktiziert.
„Sollte das Verarbeiten durch Gespräche und Zeit leider nicht gelingen und sollte daraus ein tatsächliches Krankheitsbild resultieren, sind die polizeiinternen Möglichkeiten erschöpft. Diese Kollegen sind dann Patienten und bedürfen einer medizinischen und/oder psychotherapeutischen Betreuung, welche die Polizei so selbst nicht leisten kann.“
Das Verarbeiten bleibt immer, egal ob ehrenamtlich oder beruflich von Mensch zu Mensch, von Beamten zu Beamten, von Einzelfall zu Einzelfall unterschiedlich. Den Schritt, Hilfe zu suchen und deren Notwendigkeit für sich zu erkennen, muss jede Einsatzkraft maßgeblich allein gehen.
Mancher versucht, die Zeit wirken zu lassen, bedenken dabei oft nicht dass posttraumatische Belastungsreaktionen auch deutlich später auftreten können, einige kehren in sich, müssen bitterlich weinen oder finden Trost in ihrer Religion, wählen den Weg des Sarkasmus oder schwarzen Humors, treiben Sport bis zur Erschöpfung und wieder andere werden durch ihre Familien und Freunde aufgefangen.
Eines hat unsere Recherche gezeigt, Unglücks-/Todesfälle, insbesondere bei unverschuldetem Eintritt und jungem Lebensalter, lassen auch den erfahrensten Polizeibeamten, den erfahrensten freiwilligen Feuerwehrmann oder den routiniertesten Rettungsdienstler nicht unberührt – er kann damit nur etwas professioneller umgehen. Gleichwohl ist es nicht unwahrscheinlich, dass der Kollege oder die Kollegin, der Kamerad oder die Kameradin dann nächtelang von albtraumhaften Bildern heimgesucht werden. Das Verständnis und der Respekt für unsere Einsatzkräfte, die mittlerweile allzu oft während ihrer Hilfsmaßnahmen attackiert, bepöbelt oder behindert werden sollte jedem Bürger nicht allzu viel Aufwand kosten, denn eines Tages braucht man diese Hilfe vielleicht selbst.