NoGoArea? – Brennpunkt Nicolaiplatz

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Foto: Sören Müller

Grimma. In der Tat scheint die Bezeichnung „NoGoArea“ überspitz dargestellt. Doch augenscheinlich mehren sich Stimmen, dass es in unserer Stadt Ecken und Plätze gibt, an denen man sich gefühlt, nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr aufhalten sollte. Wenn man sich mit dem Thema eingehender beschäftigt, wird es allerdings verständlicher.

Immer wieder steht z. Bsp. der Nicolaiplatz wegen seines desolaten Zustandes, wegen Vandalismus oder der Lärmbelästigung im Fokus. Dies gilt so allerdings auch für den nicht weniger schlimm aussehenden Bahnhofsvorplatz und den angrenzenden Park. So treffen sich an beiden Plätzen, welche eigentlich als Nahverkehrskreuze dienen, regelmäßig Jugendliche oder Personen aus sozialen Randbereichen, um dort lautstark und in aller Öffentlichkeit zu Randalieren, Alkohol zu konsumieren und ihre Freizeit zu verbringen.

Nicht nur Anwohner und Durchreisende sind genervt, nein – auch die Außenwirkung der Plätze stellt sich als befremdlich dar. So stellen beide Plätze eigentlich ein Tor zur Stadt dar und vermitteln einen sehr zwiespältigen Eindruck auf alle Passanten.

Kinder pendeln von hier aus täglich zu ihren Schulen, Bürger zu ihren Arbeitsplätzen und zahlreiche ältere Einwohner nutzen den Nahverkehr für einen kurzen Einkauf in der Stadt. Die Problematik verschärft sich vor allem am Nachmittag und in den Abendstunden, wenn die Plätze als Feier- Tunning oder Mopedtreff dienen. Nicht nur ältere Menschen, die oft verstört auf deren Verhalten, den Lärm und die Verschmutzungen blicken, leiden darunter und reagieren durchaus mit Angst, sondern gerade die Kinder werden hier frühzeitig mit den Folgen übertriebenen Alkoholkonsums und deren Folgen wie Lärm und Sachbeschädigungen konfrontiert.

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 Foto: Sören Müller

Mittlerweile trauen sich auch Anwohner nicht mehr, die meist Jugendlichen, auf die Lärmbelästigung anzusprechen, weil sie mit Beleidigungen oder sogar Übergriffen rechnen müssen.

Erst kürzlich hatten Mitglieder der „Freien Wähler“ den Nicolaiplatz im Rahmen des Subbotniks auf Vordermann gebracht. Doch auch das war größtenteils von kurzer Dauer. Bepflanzungen neu angelegt, Schaukästen und Bänke stundenlang geschrubbt (wir hatten berichtet). Mittlerweile sind diese zum Teil wieder vollgeschmiert und die angelegten Pflanzflächen zum Freiluft-Urinal verkommen. Zudem ziere zerschmissenes Glas, Abfall und Reste von Erbrochenem das Gesamtbild, nicht nur auf dem Nicolaiplatz. Nahezu täglich räume der Bauhof die Hinterlassenschaft des Vorabends in den Morgenstunden auf und binde dadurch nicht unerheblich Kräfte und Geldmittel auf Stadtkosten.

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Auch am Schwanenteich häuft sich dieser Anblick  Foto: Sören Müller

Dieses Problem ist der Stadtverwaltung und auch der Polizei bekannt. Diese schieben jedoch die Verantwortung mehr oder weniger dem jeweils anderem zu. Einen konkreten Lösungsansatz gibt es offenbar nicht.

Die Polizeidirektion Leipzig teilte zum Sachverhalt mit: „Der Streifendienst des Polizeireviers Grimma ist im tatsächlich möglichen Umfang im Stadtgebiet präsent, kann aber nicht zu jeder Zeit an jedem Ort sein – auch nicht am Nicolaiplatz. Im Übrigen ist die Problemlage, dass dort ein gewisser Anlauf- und Treffpunkt für ange-, betrunken und ruhestörende Personen besteht, maßgelblich ein Aufgabenfeld der städtischen/kommunalen Ordnungsbehörde.“

Die Ordnungsbehörde, quasi das Ordnungsamt der Stadt Grimma, legt seine Hoffnungen auf die Alkoholkonsumverordnung, die derzeit zur neuerlichen Entscheidung dem Landkreis Leipzig vorliege.

Demnach gäbe es, unter anderem auch für den Nicolaiplatz ein Alkoholverbot von 15 Uhr bis 03 Uhr. Nur müsse dieses Verbot dann von der Polizei durchgesetzt werden, weil der Streifendienst des Ordnungsamtes meist am Nachmittag endet. Die Polizei müsste vor allem abends und nachts auf den betroffenen Plätzen eingreifen und die Verordnung umsetzen, sofern dies überhaupt möglich ist, da das übrige Einsatzaufkommen die ohnehin begrenzten Kräfte binde.

Kritik an diesen Bestrebungen kam bereits aus der Fraktion „Die Linke“: „Das an bestimmten Stellen in der Stadt kein Alkohol konsumiert werden darf, ist ja schön und gut. Es verhindert aber nicht, dass man einfach drei Straßenzüge weitergeht um dort zu trinken“, gab Kerstin Köditz im letzten Stadtrat zu bedenken.

Weniger Kritik kam von Seiten der Polizei, wo man die Bestrebung begrüße, da es den Einsatzkräften einen gewissen Handlungsspielraum erlaube um tätig werden zu können. Lärm, Müll und sonstiges Fehlverhalten bedeuteten nicht in jedem Falle automatisch einen sofortigen Platzverweis, welcher dann noch zeitlich begrenzt werden müsse.

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Schrottreif, eine Brücke im Schwanenteichpark Foto: Sören Müller

Laut Stadtverwaltung gäbe es mittlerweile einige Anzeigen, seit Bestehen des bisherigen Alkoholverbotes. Zweifel blieben jedoch bestehen; – Anwohner, die anonym bleiben wollen, meinen dazu nur; „Greif einem armen Mann mal in die Tasche. Bei denen gibt es eh nichts zu holen. Denen ist das doch egal.“

Auch diverse Ansprachen des Oberbürgermeisters oder Kontrollen der Polizei im letzten Jahr brachten nur kurzweiligen Erfolg. Lediglich die kalten Wintermonate kamen den Anwohnern dann zu Hilfe. So war es bis vor Kurzem vergleichsweise ruhig auf dem Platz. Doch mit den steigenden Temperaturen kehrten dann auch wieder die Probleme zurück.

Aus der Stadtverwaltung hieß es zur Problematik nur knapp, dass der Nicolaiplatz als „Brennpunkt“ bekannt sei und unter besonderer Beobachtung durch Ordnungsamt und Polizei stehe.

Die Liste der betroffenen Plätze und Ecken im Stadtgebiet ließe sich beliebig verlängern. Der Busbahnhof, Nicolaiplatz, Markt, der Schwanenteichpark, die verschiedenen Sitzecken an Frauenkirche, Jahnstadion, Pöppelmannbrücke oder dem Sandstrand an der Hängebrücke. Verschmutzte, beschädigte Bänke, Hundekot, Schaukästen und Zieranlagen.

Im Fazit bleiben neben den materiellen Schäden, welche durchaus in eine stattliche Summe gehen dürfe, auch die bleibenden Schäden am Image der Stadt als Tourismusziel, oder die negativen Einflüsse auf ganze Klassenzüge nachfolgender Schulgenerationen, welche sich täglich mit einem falschen Bild vom Wert fremden Eigentums oder dem Umgang mit Alkohol ausgesetzt sehen.

Ein konkretes Konzept oder Präventivmaßnahmen gibt es derzeit offenbar auch nicht. Auch eine gemeinsame Beschwerde der Anwohner brachte bislang nicht den erhofften Erfolg, was mit Blick auf die in jüngster Vergangenheit kritisch diskutieren Sanierungsabgaben oder Erhöhungen im KITA-Bereich als besonders bitter empfunden wird. Denn es bleibt nicht die Frage offen wer für die Schäden aufkommen soll, sonder wie hoch diese Rechnung ausfallen wird.

Einige scharfe Zungen hoffen nun zumindest auf den baldigen Rewe-Neubau, und damit auf die Verlagerung des Problems. Bis dahin wird es wohl weiter heißen „Brennpunkt Nicolaiplatz“, bevor sich dann wahrscheinlich nur der Ort ändern wird.

Kommentar: Klar sind die geschilderten Probleme nicht nur ein Grimmaer Problem und klar sein dürfte auch, dass hier auch nicht nur die Ordnungskräfte in Verantwortung stehen. Letztendlich ist Ordnung und Sauberkeit ein zentrales Thema unserer Gesellschaft und sollte auch schon in den Kinderstuben vermittelt werden bzw. in den Schulen und KiTa´s. Geht man mit offenen Augen durch die Altstadt ist das beschriebene Thema kaum von der Hand zuweisen, wahrscheinlich sogar noch viel zu lasch formuliert und sollte demnach offen angesprochen werden. Auch lässt die „Wegseh-Einstellung“ vieler Bürger nachdenklich stimmen und man kann nur hoffen dass sich mehr Bürger ein Herz nehmen und Verursacher offen ansprechen oder konkret Hilfe heranziehen, als sich nur über das Resultat zu beklagen. Das sollte auch im Interesse der Stadtverwaltung liegen die sich derzeit augenscheinlich lediglich auf eine Alkoholverbotsverordnung fixiert die kaum die Ursache bekämpfen wird. Sören Müller